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08.09.2021

Missing Linz 10: Bitte kein Vollkasko-Punk!

Andreas Strauss macht mit seinen Kunstwerken oder Interventionen Unkonventionelles möglich. Dabei geht es ihm um den öffentlichen Raum, um Stadtraum, um Konsum. Sein „Pay as you wish“-Hotel ist seit 15 Jahren gut gebucht, der vergoldete Container vom OK Platz nicht mehr wegzudenken. Und schon bald sind die Türklingeln zum Gedenken an Linzer NS-Opfer fertig.

Andreas, du bist ein 1968er-Jahrgang, geboren in Wels. Jetzt lebst und arbeitet du als Künstler in Ottensheim und Wien. Was verbindet dich mit Linz?

Erste selbst gewählte Andockstellen nach der Zeit im katholischen Internat waren wohl die Konzerte und Events im Posthof oder der alten Stadtwerkstatt. Auch das ehemalige Café Landgraf gehört dazu. Nachdem ich die HTL abgebrochen habe, bin ich nach Wien und war dort Radmechniker, auch für internationale Rennen. Das Handwerkliche mochte ich damals schon. Der lange rausgeschobene Zivildienst holte mich wieder zurück nach Oberösterreich und das Studium auf der Kunst-Uni Linz und Künstlergruppen wie Time’s Up ließen mich bleiben.

Und heute? Bist du noch oft in Linz?

Man könnte sagen, ich bin „Frequent Flyer“ auf der Westbahnstrecke. Mal ins Atelier nach Wien, mal nach Linz, mal zum Tischler nach Ottensheim, mal zum Schlosser ins Mühlviertel – übrigens der Bruder von Maria Hofstätter. Ich bin dort, wo die Ressourcen und die Leute sind, mit denen ich arbeite. Meine Methode – ich kauf es nicht, ich versuche es selbst zu generieren – hat sich komplett auf meinen Lebensstil ausgewirkt.

Aktuell verbringe ich allerdings viel Zeit in der voestalpine, weil ich dort mit Lehrlingen Gedenkzeichen für vertriebene Juden aus Linz baue. Wir entwickeln mechanische Türklingeln, die dann mit Messingschild unweit der Orte montiert werden, die den Menschen genommen wurden. Man kann dann tatsächlich bei den NS-Opfern läuten.

Egal ob Metall, Holz oder Glas – bei deinen Arbeiten legt du meist selbst Hand an. Woher kommt dein handwerkliches Geschick?

Meine Mutter war Schneidermeisterin mit unglaublichem Improvisationstalent. Als Alleinerzieherin kümmerte sie sich teilweise sogar um die Elektrik im Haus. Tante und Onkel waren Tischler. Mama schaffte es, aus nichts etwas zu zaubern und hat uns drei Fratzen mit ihren Skills durchgebracht. Bei allem was zwischen Mutter und Sohn stehen kann, habe ich mir das besonders zu Herzen genommen.

Dein wohl bekanntestes Werk ist „dasparkhotel“. Medien auf der ganzen Welt haben davon berichtet. Was ist daran so reizvoll?

„dasparkhotel“ besteht aus mehreren umfunktionieren, robusten Kanalrohren. Jedes einzelne wurde wie ein kleines Hotelzimmer ausgestattet und in den öffentlichen Raum gestellt. Zuerst stand es vor dem Brucknerhaus in Linz, dann ist es in einen Park in Ottensheim gesiedelt. Seit 15 Jahren übernachten dort Leute, zahlen so viel sie wollen und nutzen die umliegende Infrastruktur für Allfälliges. Und nicht ein einziger Polster wurde bisher „geflaucht“. Es ist ein geglückter Versuch eines nicht-kommerziellen Übernachtungsgeräts, eines Gastfreundschaftsgeräts. Für mich ist es ein Statement zur Nutzung des öffentlichen Raums. Mit meinen Objekten oder Interventionen werden Dinge, die man nicht tut, wieder denkbar. Der öffentliche Raum wurde hart erkämpft und jetzt muss man sich darum kümmern. Mit Respekt. 
Übrigens bauen wir gerade das dritte „dasparkhotel“ in Deutschland.

Was sind deine Lieblingsorte in Linz? Wie öffentlich oder privat sind sie?

Ich mag den OK Platz total gerne – eine öffentliche Fläche ohne Konsumzwang, aber mit der Möglichkeit Getränke oder Speisen im Gelben Krokodil oder im Solaris zu holen. Letzteres ist übrigens auch im goldenen Container zu Hause, ein Projekt von mir. Die 23 m2 große Kiste schaut aus als wäre sie vom Himmel gefallen. Tagsüber fällt sie vielen nicht mal auf. Nachts strahlt ihre Vergoldung der Kirche am Platz entgegen.   

Sonst bin ich noch gerne im Frédéric direkt bei der Kunst-Uni. Ein nettes Lokal, das von der Passion seines Betreibers lebt. Und bevor die Halli-Galli-Sandbar das Gelände vor dem Brucknerhaus kommerzialisierte, verbrachte ich viele Stunden zwischen des Stahlskulpturen des forum metall.

Du bist auf der ganzen Welt unterwegs. Was dringt von Linz nach Außen? Was hat Strahlkraft?

Auf jeden Fall die Ars Electronica. Ich werde meine ersten Klangwolken nie vergessen: Pink Floyd all around Linz!

Was wünscht du dir für Linz?

Mehr nicht-kommerzielle Räume. Orte der Gastfreundschaft. Mehr Platz für Radfahrer und Fußgänger. Vielleicht eine Verlängerung des Alt-Urfahr-Badestrands. Oder eine Badebucht. Weniger Vollkasko-Punk. Und eine Art öffentliches Forum – eine reale Diskussionsplattform mit minimaler Moderation – in dem wir all das besprechen können.

Typisch Linz ist ...

Schwer zu sagen. Ein Eintopf – im besten Sinne! Und eine Hacklerstadt, egal wie schick und betreut in ihren Events. Die Stadt gibt mir, was ich brauch.

Andreas Strauss (geboren 1968 in Wels) ist österreichischer Künstler. Er lebt und arbeitet in Ottensheim und Linz. Andreas Strauss setzt sich im Besonderen mit den Verschiebungen etwa zwischen öffentlichem Raum und Privatsphäre, Kunstfeld und Stadtraum, Zentrum und Peripherie, Kunst und Konsum auseinander. Zu seinen Werken zählen „dasparkhotel“ in Ottensheim, der goldene Container am OK Platz in Linz und aktuell auch z.B. die Schiffscontainer der „Gmunden Photo“. www.andreasstrauss.com

Ein Blogbeitrag von die jungs kommunikation.

Titelbild: ©Alex Barth

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