Frau Hollein, Sie sind in Wien geboren und haben in Linz ihre Jugend verbracht. Welche Erinnerungen verbinden Sie damit?
Schon meine Großeltern lebten in Linz. Mein Großvater war Alfons Ortner, der Gründungsrektor der Linzer Kunsthochschule. Ich kam aber in Wien zur Welt. Mit vier Jahren – nach der Trennung meiner Eltern – zogen meine Mutter, meine Brüder und ich nach Linz, zurück zur Familie meiner Mutter. Ich besuchte hier die Volksschule und dann das Akademische Gymnasium auf der Spittelwiese. Für mich war die Jugend in Linz eine großartige Zeit. Nirgendwo anders wäre ich lieber aufgewachsen. Wir lebten direkt im Zentrum, am Fuße des Schlossbergs, und konnten überall schnell hin. Die Türen standen immer offen für meine Freunde und Freundinnen. Linz bot Raum für meine persönliche Entwicklung, war groß genug, und es passierte ständig etwas Spannendes.
Wo haben Sie sich gerne aufgehalten?
Im Café Traxlmayr hieß es schon in meinen frühen Teenager-Jahren „sehen und gesehen werden“. Bei wärmerem Wetter gingen wir jeden Tag ins Parkbad, und am Wochenende zogen wir durch die Lokale der Altstadt. Es war ein Eldorado des Feierns. Überall war sehr viel los. Damals hatten wir samstags noch Unterricht – das war der härteste Tag, weil wir freitags immer gerne ausgegangen sind. Trotzdem standen wir früh auf, um vor Schulbeginn am Flohmarkt am Hauptplatz nach coolen Klamotten zu stöbern. Als Jugendliche konnten wir uns völlig frei bewegen. Linz war UNSERE Stadt. Das ist hier in New York für Jugendliche wohl ganz anders.
Nach der Matura ging es für Sie wieder zurück nach Wien. Warum?
Nach Wien zu gehen, war für mich eine logische Entscheidung. Schon vorher war ich manchmal am Wochenende bei meinem Vater in Wien – worum mich meine Freundinnen beneidet haben.
Ich entschloss mich, Architektur zu studieren. Meine Onkel Laurids und Manfred Ortner haben zweifellos eine große Rolle bei dieser Entscheidung gespielt. Sie waren Teil der Architekten-und Künstlergruppe Haus-Rucker-Co und haben unter anderem die Nike am Linzer Hauptplatz installiert und das Museumquartier Wien gestaltet. Das Studium an der TU Wien hat mir die Möglichkeit gegeben, kreative Fähigkeiten zu entwickeln, die mich auch heute noch bei meiner Arbeit als Modedesignerin beeinflussen.
Sie zogen als Architektin in die Welt hinaus. Nachdem ihre drei Kinder zur Welt gekommen sind, wandten sie sich verstärkt der Mode zu. Wie kam es dazu?
Auf die Zeit in Wien folgten Jobs bei Architekten wie Peter Eisenman in New York oder Albert Speer jun. in Frankfurt. Meine Kinder kamen in relativ kurzen Abständen zur Welt und ich begann mich zu Hause mit neuen – bzw. alten – Leidenschaften zu beschäftigen. So nähte ich auch wieder – für mich und für die Kinder. Dazu verwendete ich Stoffe aus dem Mühlviertel, also aus der Gegend, wo schon mein Großvater einen alten Bauernhof hatte und eine traditionsreiche Weberei neben der anderen zu Hause ist. Besonders gefielen mir Gebrauchsstoffe wie jene für Geschirrtücher, Tischwäsche oder Bettwäsche. Irgendwann war der Kleiderständer mit von mir genähten Sachen so voll, dass klar war, diese Kleider können wir nicht alle selbst tragen. Es war eine komplette Kollektion.
Woher kommt die Verknüpfung zwischen Modedesign und Kunst?
Ich kreiere keine kommerzielle Mode; jedes meiner Werke ist ein Unikat. Von Anfang an habe ich meine Arbeit mit der Kunst verbunden. Die Architektur hat mich dabei besonders beeinflusst, ebenso wie mein Bekanntenkreis, meine Freunde und meine Familie. Meine erste Ausstellung hatte ich gemeinsam mit meinem Bruder, dem Maler Philipp Schweiger, in Frankfurt. Während momentan meine Ausstellung „HOMECOMING“ im Schlossmuseum zu sehen ist, entstand im Österreichischen Kulturinstitut in New York eine Schau in Zusammenarbeit mit der Fotografin Elfie Semotan.
Wie kam es zu der „HOMECOMING“-Ausstellung im Linzer Schlossmuseum und warum haben Sie sich für diesen Titel entschieden?
Alfred Weidinger, Direktor des Oberösterreichischen Landesmuseums, hat mich in New York besucht. Als wir durch meinen Showroom gingen und er meine Kleider und Objekte sah, war er davon begeistert, ebenso wie von der Verwendung der Mühlviertler Stoffe. „Homecoming“ lässt sich also durch meine Vergangenheit, die mit Linz und dem Mühlviertel verbunden ist, erklären.
Ich freue mich sehr darauf, wieder nach Linz zurückzukehren. Es wird spannend sein, nach so langer Zeit, die Stadt neu zu entdecken, durch mein altes Viertel zu schlendern, neue Lokale zu erkunden, großartige Museen zu besuchen und einzukaufen – sei es beim Bäcker, im Buchladen oder an anderen Orten, wo man persönlich betreut wird, ganz im Gegensatz zur in den USA üblichen Bestellkultur.
Was an Linz hat Strahlkraft? Vielleicht sogar bis New York?
Die Kultur hat Strahlkraft. Befreundete Künstlerinnen und Künstler hatten Ausstellungen in Linz – so höre ich immer wieder von der Stadt.
Was ist für Sie typisch Linz?
Die Linzer sind Macher. Vielleicht ist es die begrenzte Größe der Stadt, die veranlasst anzupacken, mitzumachen, Dinge umzusetzen. Ich muss sofort an das Forum Metall denken und an Helmuth Gsöllpointner, der es ins Leben gerufen hat. Ein echter Macher!
Nina Hollein (* 9. Februar 1971 in Wien) ist Architektin und Modedesignerin. Ihre Jugend verbrachte sie in Linz, ihr Architektur-Studium an der TU Wien. Als Architektin sammelte sie unter anderem Erfahrungen bei Peter Eisenman und Tod Williams Billie Tsien in New York sowie im Architekturbüro Albert Speer jun. in Frankfurt.
Von 2001 bis 2016 lebte Nina Hollein gemeinsam mit ihrem Mann Max Hollein in Frankfurt, wo auch ihre drei Kinder zur Welt kamen. Hollein ist Autorin zweier Kinderbücher über Henri Matisse und Yves Klein. 2009 gründete sie ihr eigenes Modelabel NINAHOLLEIN. Seit ihrem Umzug 2016 nach San Francisco lebt sie seit 2018 wieder in New York, wo ihr Mann die Direktion des MET (Metropolitan Museum of Art) übernommen hat, und sie ihre Arbeit als Modedesignerin fortsetzt.
Ein Gastbeitrag von "jungskommunikation".
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