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Schriftzug im "Salonschiff Fräulein Florentine"
03.01.2023

What the Fem*: Feminismus in Linz

Der Feminismus ist ein weites Meer. Er hat uns in mehreren Wellen umspült und durchgespült und schlägt weiterhin Wellen. Gegenwärtig schaukelt er uns in neue Gewässer. Tauchen wir hinein – etwa in der aktuellen Ausstellung What the Fem*?, aber nicht ab. Denn im Patriarchat leben wir noch immer.

Es ist leider wahr: Die Erkenntnis, dass die Abschaffung des Patriarchats uns allen zugutekommen wird, hat sich ganz offenbar und merkwürdigerweise noch immer nicht durchgesetzt. Weiterhin müssen wir Frauen rudern, um nicht unterzugehen. Die erfreuliche Nachricht ist: Es gibt eine Ausstellung in Linz, die uns durch den Feminismus navigiert und dabei alte und neue Fragen stellt.

"What the fem" Ausstellung im Nordico Stadtmuseum Linz.
Das goldene Matriarchat, aus der Serie: Demo 8. März, Feminismus und Krawall, 2019

In What the Fem*? im Nordico Stadtmuseum beschäftigt sich Kuratorin Klaudia Kreslehner mit dem Wort Feminismus und dessen Inhalten, wie es sich uns seit 1950 präsentiert. Einige Rechte konnten die Frauen inzwischen erlangen, aber freiwillig wird nach wie vor nichts verändert, Privilegien halten sich hartnäckig. Und dennoch: Stolz können wir durch die sechs Themen-Räume gehen und den zahlreichen Informations-Tafeln entnehmen, was wir, die Frauen, bereits errungen haben. Stolz auch darauf, dass sich die Rollenbilder hier und da aufzulösen beginnen. Dass es zahlreiche Vereine gibt, auch hier in Linz, die sich für die Rechte der Frauen einsetzen und für ihren Schutz – auch das ist leider noch immer nötig, da hier allein strukturelle Veränderungen dazu führen könnten, die bestehende Idee, Frauen misshandeln zu dürfen, in der Ehe, innerhalb der Familie, im Krieg, in die selbstverständliche Achtung zu verwandeln, die einem jeden Menschen zusteht. So lange braucht es Unterstützung und Begleitung, dort, wo sie unentbehrlich ist, und sie ist es: beim Thema Migration, Arbeitsrecht, Familie, Recht, Sexualität, Selbstbestimmung … kein Horizont in Sicht.

Frauentag in Linz, 1951
Bild "Sugar Mami" von Coco Wasabi

What the Fem*? leistet hier einen wertvollen Beitrag, indem eben das Engagement der vielfältigen Aktivitäten in Linz sichtbar wird, wo im Land die Baustellen liegen, die auf die Fertigstellung einer gleichberechtigten Architektur warten. Vieles wird in der Ausstellung angesprochen, vor allem aber werden viele Fragen gestellt, die sich lohnen, von jedem einzelnen Menschen beantwortet zu werden. Auch die Ausstellung weist dabei Baustellencharakter auf. Sie darf ergänzt werden und hinterfragt, ruft zur Beteiligung auf und zur Diskussion, reißt manche Themen an, stellt Sichtweisen gegenüber, spart nicht mit Kritik und öffnet den Blick auf verschiedenste Zugänge, die ebenso kritisiert werden dürfen.

Comfort Arthur, Black Barbie, 2017

Ich selbst bin in den Feminismus im Geiste der zweiten Welle hineingewachsen. In erster Linie ging es hier um Selbstbehauptung und -bestärkung. Dazu gehörte die Notwendigkeit, das Private politisch zu betrachten, um daraus Forderungen abzuleiten, die gesellschaftliche Veränderungen herbeiführen sollten - auch strukturell, siehe oben. Insofern erschwert es mir ein Feminismus-Begriff, der alles auf einmal zu inkludieren versucht, das Ziel auf hoher See nicht aus den Augen zu verlieren. Und ich werde das Angebot nutzen, Fragen an die Ausstellung zu stellen, denn dafür ist sie ja gedacht. Nur gemeinsam können wir das schaffen, wir Frauen und Männer und Diverse: dass wir einander weiterhin zuhören und offen bleiben sowohl für das Neue, was hier hineinspült, als auch für das, was die verschiedenen Tauchgänge bereits an die Oberfläche gebracht haben und uns eint: nämlich den Wunsch, dass alle Menschen endlich als Menschen leben dürfen, mit gleichen Rechten und gleicher Wertschätzung für das, was sie tun, was sie empfinden, und wie sie leben wollen. Wir können uns es nicht leisten, auf einen Großteil der Bevölkerung mit all ihren Fähigkeiten zu verzichten und nicht leisten, die Gräben zu vertiefen.

Streiten wir weiterhin für Gerechtigkeit im Sinne der Individuen, denn es bleibt dabei, dass wir in einer Gesellschaft ALLE brauchen und alle etwas zu geben haben. Erst alle Fähigkeiten zusammen ergeben das, was wir unter Gesellschaft verstehen. 

Und irgendwann wird es hoffentlich nicht länger nötig sein, auf das zu verweisen, was selbstverständlich ist: den Eigen-Wert. Bis dahin können wir uns freuen: über feministische Naturwissenschaft, die dem bisher Errungenen entscheidende Denkansätze hinzufügt, über feministische Außenpolitik, die neue Sichtweisen ermöglicht, feministische Literatur, die den Stimmen Polyphonie hinzufügt, Kunst, Kunst, Kunst, die ein „medium unserer selbstbestimmung sein“ kann, wie Valie Export es formuliert. Feminismus in allen nur denkbaren Bereichen als Fundament eines haltbaren Gebäudes. Und können tagtäglich die Arbeit der benannten Vereine unterstützen, die Nachbarin, Kollegin, Mit-Mutter, Musikerin und Politikerin.

Werden wir nicht müde, darauf hinzuweisen: Der Feminismus dient uns allen! In Linz und überall auf der Welt.

Julia Bugram, Alles was du sehen willst_Privatsammlung Alessa Lux
Schriftzug im "Salonschiff Fräulein Florentine"

Nordico Stadtmuseum Linz

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