VISIT LINZ
03.03.2021

Schaulust im Francisco Carolinum

Die Museen in Österreich sind wieder geöffnet – und damit auch das FC: das Francisco Carolinum in Linz, das im Oktober mit einem Fotoschwerpunkt startete, um dem Bedürfnis nach mehr Foto- und Medienkunst in Linz nachzukommen.

In Zeiten von Fotoplattformen wie Instagram und Co umgibt uns das Bedürfnis nach dem Schauen und dem Sich-Zeigen. Die Sehnsucht nach Sehen und Angesehen-werden-wollen scheint allgegenwärtig. Eine ganze Generation, und hier vorwiegend Mädchen und junge Frauen, suchen über das Foto nach Selbstausdruck und Selbstvergewisserung und versuchen, Identität zu stiften, indem sie sich präsentieren.

Auch in der Ausstellung Family Skin mit Arbeiten der polnischen Künstlerin Aneta Grzeszykowska drückt sich die Beschäftigung mit weiblicher Identität aus. Es ist Grzeszykowskas Körper, mit dem sie arbeitet, ebenso wie die Anforderungen an ihn und an das, was ihm abverlangt wird. Und so ist es wohl kein Zufall, dass sich Anleihen der Arbeit von Cindy Shermans unmittelbar in Aneta Grzeszykowskas Schaffen wiederfinden lassen. Sherman thematisierte für ihre Untitled Film Stills bereits 1977 (und damit drei Jahre nach der Geburt von Aneta Grzeszykowska) nicht nur ein Spiel mit diversen Rollen, sondern gleichsam, wie der Mann – als Träger des Blicks im Patriarchat – die Frau zum Objekt macht, auf das festgelegte Erwartungen projiziert werden. Eben deshalb ist es so wichtig, dass Künstlerinnen sich nach wie vor den Blick anzueignen versuchen und aus der Betrachtung hinaus in die Selbstbetrachtung gehen.

Verformte Schönheit in der Fotowelt

Auf Grzeszykowskas Fotografien bleibt der Körper nicht nur fragmentarisiert, sondern wird zudem zu Material, das nach Belieben verformt und geformt werden kann. Anders, als es sich auf den oben genannten und heute gängigen Fotoplattformen abbildet, geht es Grzeszykowska jedoch nicht darum, dem gängigen Ideal von Schönheit zu entsprechen, dem die Frauen nach wie vor unterworfen zu bleiben scheinen (oder sich inzwischen selbst unterwerfen?). Nein, es finden sich Anklänge an (zwangs-)chirurgische Eingriffe, und die Schönheitsmasken, die in Selbstporträts Grzeszykowskas Gesicht zieren, erinnern eher an die Maske von Hannibal Lecter (der den weiblichen Körper im Übrigen ebenso als Material missbraucht), als dass sie sich für Kosmetik-Werbung eigneten, sodass sie das Schönheitsversprechen der Influencerinnen, so selbstbestimmt sie zu handeln vorgeben, ins Gegenteil „verformen“. Die Konstruktion des Idealbildes, dem: wie eine Frau auszusehen hat, findet einen spielerischen Umgang und regt dazu an, Sinn und Ziel der tagtäglichen Selbstdarstellungen kritisch zu hinterfragen. 
Den Blick auf die Frau und ihren Körper, von außen, wie auch auf sich selbst, zu stören, ist die große Stärke dieser Ausstellung.

Doppelt interessant ist in diesem Zusammenhang, im Nebenraum im Francisco Carolinum unter dem Titel Youth dann Fotografien wiederzufinden, in denen die junge chinesische Künstlerin Luo Yang Jugendliche der sogenannten Generation Z in den Mittelpunkt rückt. In ihren Bildern wird die Suche nach individuellem Selbstausdruck spürbar und statt um den Verkaufswert geht es den Abgebildeten offenbar darum, ihr Lebensgefühl sichtbar werden zu lassen. Dem schauenden Blick werden Geschlechterzuschreibungen verwehrt, indem die Identität fluid bleibt und sich somit sowohl der tradierten Erwartungshaltung von männlich und weiblich verwehrt, als auch der patriarchalen Machtstellung von Schauen und Angeschaut-Werden.

Der fotografische Blick in die Psyche

Die dritte Sonderausstellung des FCs wiederum widmet sich in einer Retrospektive dem Fotografen Roger Ballen, der seine Fotografie von der Porträtierung seiner (Außenseiter)modelle immer mehr in Richtung Inszenierung entwickelte, sodass Bilder entstanden sind, die direkt in die Psyche des Menschen hineinzuführen scheinen. Und so ist es in diesem Kontext ausgerechnet der männliche Blick, der die Oberfläche durchbricht und hineinzuschauen wagt in das Bedrohliche, Tiefgründige.

Alle Ausstellungen werden (verlängert) bis zum 5. April 2021 zu sehen sein, da sie den - sowohl männlichen als auch weiblichen - Blicken aufgrund des Lockdowns über lange Strecke verborgen geblieben sind.

Francisco Carolinum Linz

Teilen:

Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben

Blogheim.at Logo