VISIT LINZ
12.12.2019

Ungesehen sichtbar im Nordico

Das Nordico Stadtmuseum zeigt in seinen Ausstellungen nicht nur heimische Künstler, sondern auch beeindruckende Sammlungen, wie die des Kunsthistorikers Justus Schmidt in der Ausstellung "Das stille Vergnügen".

Das Nordico in Linz gefällt mir. Und zwar nicht, weil ich dort hinging, um mich nach meinem Umzug vom Norden Deutschlands nach Oberösterreich neu einzunorden versuchte, sondern weil alle Ausstellungen, die ich dort seither besuchte, besonnen kuratiert waren.

Und deshalb verschlägt es mich an einem dieser womöglich letzten schönen Tage im Herbst in dieses Nordico (inzwischen weiß ich, der Name stammt daher, dass es als Konvikt für Schüler aus Skandinavien genutzt wurde) im Herzen dieser Stadt - im Rathausviertel -, in dem zur Zeit die Ausstellung „das stille Vergnügen“ gezeigt wird.

Und ja, es ist ein stilles Vergnügen.

Nicht nur wird es augenblicklich still, nachdem ich die Straße verlasse, nein, auch vergnüglich, und zwar in dem ursprünglichen Bedeutungssinne des Wortes Vergnügen, nämlich: zufriedenstellend, befriedigend.

Kann es Zufriedenheit geben, wenn Zeichnungen gezeigt werden, die von jemandem zusammengetragen worden sind, der als Mitglied des „Sonderauftrags“ Linz während der NS-Zeit an der Beschaffung von enteigneten Kunstwerken mitwirkte?

Sie kann.

Indem das, was er tat, ebenso sichtbar gemacht wird.

Nie weißt du, wann die Zeit gekommen sein wird, Bilder ans Licht zu zerren; ebenso wenig wie du wissen kannst, wann es Zeit ist, Gespenster unter dem Treppenabsatz hervorzuzerren, um sie mutwillig dem Licht auszuliefern, das sie scheuen ... Ist es tatsächlich eine Freude, das Licht der Öffentlichkeit zu erblicken? Wer könnte mit Gewissheit bestreiten, ob nicht eben das Ungesehen-Bleiben ein Glück bedeutet?

So schrieb ich jüngst in einem neuen Manuskript, als hätte ich gewusst, dass ich kurze Zeit später durch diese Räume streifen werde, um nichts anderes zu tun, als Bilder eigenhändig ans Licht zu zerren. Denn die Meisterzeichnungen aus der Sammlung von Justus Schmidt sind in Planschränken verstaut, dem Bick entzogen. Eine Schublade nach der andere kann geöffnet werden, um sie zu betrachten - im eigenen Tempo. Wann die Zeit gekommen ist, entscheidet in diesem Fall also der Betrachtende, und der Vorgang ähnelt dem verbotenen Spiel, mit dem ein Kind die von den Eltern benutzten Schubladen durchforstet, wann immer es sich allein wähnt.

Unerhört, intim, überraschend.

Und während ich diesem Vergnügen des Unerhörten nachgehe, bin ich noch einmal froh über die Entscheidung der Kuratorin Brigitte Reutner, Interventionen in das Konzept einzubeziehen. So untermalt der Künstler Simon Wachsmuth die (aus heutiger Sicht) unerhörte Tätigkeit von Justus Schmidt, indem er das Wort Nazi als Raunen in den Raum schickt. Das Wispern erschafft im Zusammenspiel mit den Zeichnungen, den Dokumenten von Schmidts Tätigkeit und den Fotografien aus der Zeit, wie auch Schmidt sie erlebt haben muss, wann immer er das Haus verließ, einen eigenen Raum: einen Gang durch die innere Gedankenwelt.

Warum Museum? - Um etwas herauszufinden.

Objekte, Zeichnungen, Bilder - sie können im Mittelpunkt des jeweiligen Interesses stehen; letzten Endes aber befriedigt ein Museumsbesuch immer dann, wenn die präsentierte Ausstellung einen verbindenden Gedanken erkennen lässt.

Hier ist er da: spürbar, hörbar, erlebbar für alle, die nach Linz kommen und sich auf das stille Vergnügen einlassen, einen veränderten Museumsraum vorzufinden, der gleichsam den Blick auf die Hintergründe verändert, mit denen Kunst im Zusammenspiel mit ihrer jeweiligen Zeit gehandelt und verhandelt wird. Lohnend ist im Anschluss möglicherweise auch ein (sensibilisierter) Blick auf die Straßen des heutigen Linz, das sich seit den soeben betrachteten Fotografien, hier in Verbindung mit der NS-Zeit, ebenso verändert haben dürfte.

Nordico Stadtmuseum

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