Das große Zittern ist längst vorbei, wenn die drei omnipräsenten Gastroführer Gault & Millau, A la Carte und Falstaff ihre Hauben, Sterne und Gabeln verteilen. Immerhin entscheiden die Ranglisten über Ehre und belohnen gewissermaßen die Anstrengungen der Köch*innen. Bewertungen verhelfen den Wirt*innen aber auch zu wirtschaftlichem Erfolg. Laut dem Global Report der Welt-Tourismus-Organisation geben Tourist*innen ungefähr ein Drittel des Urlaubsbudgets für Essen aus. Besonders gut angelegt sind die Euros in Linz. Die Landeshauptstadt mauserte sich in den vergangenen Jahren von der Stahlstadt zur kulinarischen Strahlstadt. Viele Tester*innen würdigen somit die Höchstleistungen der Köch*innen und markieren eine Vielzahl an Restaurants auf ihrer kulinarischen Landkarte. Fünf davon stehen laut den Gourmet-Guides ganz oben an der Spitze.
Give me five
Rossbarth
(Gault Millau: 17 Punkte, vier Hauben, Falstaff: 90 Punkte, drei Gabeln, A la Carte: ein Stern, eine Weinflasche)
Gleich vorweg: Marco Barth und Sebastian Rossbach sind keine Pizzaioli, obwohl sie sich während der Lockdowns mit ihren köstlichen wie kreativ belegten Fladen in die Herzen der Linzer*innen gebacken haben. Pizza bieten sie zwar nach wie vor an, wenngleich die Aufmerksamkeit dem ebenso ausgezeichneten, selbstgebackenen Brot gilt. Und wenn in einem Restaurant Brot selbst gebacken wird, kann man davon ausgehen, dass die restlichen Speisen ebenso mit handwerklicher Präzision und Leidenschaft hergestellt werden. So ist es auch im Rossbarth, dessen Fokus auf eine feine, ausgeklügelte und der Zeit angepassten Küche gerichtet ist.
Im edlen Restaurant (mit dem Staatspreis Design ausgezeichnet) dominieren klare, puristische Linien; Raucheichemöbel und Stühle von Carl Hansen verleihen dem Lokal einen Chic, den man von Restaurants in London, Paris oder New York erwarten würde und in Linz findet. Kulinarisch bleiben die „Rossbarths“ ihrer klaren Linie ohne unnötigen Schnickschnack treu und kooperieren mit den besten Produzent*innen des Landes. Simon Humer (Biohof Thomabauer) ist einer davon, der den zwei Köchen immer wieder Frischfleisch, Guanciale (Wangenspeck) oder die höllisch scharfe Nduja (kalabresische Salami) vorbeibringt und von dem Duo in eine neue Dimension des italienischen, oberösterreichischen Geschmacks geführt wird. Brot backen die Vier-Hauben-Köche mit der Selbstverständlichkeit eines Meisterbäckers. Besondere Affinität pflegen die Köche für die bemerkenswerten Reisweine (Sake), die jeden Gang vorzüglich umschmeicheln. Wer normalen Wein bevorzugt: 150 Positionen, viele davon von außergewöhnlichen Winzern, die nicht unbedingt dem Mainstream zuzuordnen sind. Und die Nachspeisen? Um die kümmert sich Sebastian Rossbach, und zaubert sich mit Marco Barth abermals in die Herzen der Gäste.
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Muto
(Gault Millau: 15 Punkte, drei Hauben, Falstaff: 85 Punkte, zwei Gabeln, A la Carte: ein Stern)
Ihr müsst jetzt tapfer sein. Es kann nämlich passieren, dass ihr im Muto nicht das bekommt, was in herkömmlichen Restaurants serviert wird. Also vielleicht landet in dem charmanten Altstadt-Lokal eine ganze Kralle oder eine halbe Wachtel inklusive Kopf auf eurem Teller. Was auf den ersten Blick ungewohnt und verstörend wirkt, ist jedoch mit einem Augenzwinkern zu sehen. Michael Steininger und Werner Traxler wollen bewusst provozieren und den Gästen zeigen, wie ein ganzes Tier ausschaut. Sie sind somit auf einer Linie mit internationalen Spitzenköch*innen, die ein Zeichen gegen anonyme Massenproduktion setzen wollen. „Wir kennen alle unsere Lieferant*innen persönlich und verbürgen uns dafür, dass die Tiere, die wir im muto anbieten mehr als artgerecht gehalten werden. Tierquälerei oder Massentierhaltung lehnen wir entschieden ab!“, sagen die zwei Betreiber.
Die Aktion soll natürlich nicht vom Geschmack ablenken. Der ist immer einzigartig. Traxler kokettiert mit modernen Techniken und entführt den Gast auf eine beeindruckende Reise des Wohlgeschmacks und überraschenden Konsistenzen und einem lustvollen Zusammenspiel von Geschmäckern. Im Fall der Wachtel wurde diese hohl ausgelöst, mit Wachtelfarce gefüllt, angebraten, bei 85°C bis zu einer Kerntemperatur von 60°C gegart und zum Schluss nochmals bei 230°C nachgebraten. Also beinah schon klassisch aber sehr visionär angerichtet und mit animierenden Aromen versehen.
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Göttfried
(Gault Millau: 15 Punkte, drei Hauben, Falstaff: 88 Punkte, zwei Gabeln, A la Carte: ein Stern)
Fernsehstar, Hotelier und Spitzenkoch. Christian Göttfried zählt mittlerweile zum Linzer Inventar. Und das obwohl er erst vor acht Jahren mit seiner Frau Simone nach Linz zog und dem historischen „Goldenen Anker“, für einige das älteste Wirtshaus von Linz, neues Leben verlieh. Das Ehepaar werkte damals ein halbes Jahr und ließ keinen Stein auf dem anderen. Die kühlen Fliesen wichen einem warmen Eichenboden. Die Küche wurde neu geplant, der Innenhof besonders lauschig gestaltet. Trotz massivem Umbaus wurde der Charme des bezaubernden Restaurants inklusive Gewölbe und Holzvertäfelung in der Stube, beibehalten oder behutsam restauriert.
Vor einem Jahr kam eine kleine Vinothek und Greißlerladen mit Spezialitäten von Christian Göttfried dazu. Und die können sich sehen lassen. Denn obwohl er in Sterne-Betrieben wie dem Tantris in München, bei Jörg Müller auf Sylt oder im Restaurant Heinz Winkler in Aschau zu einem Ausnahmekönner geschliffen wurde, so verwirklicht er in seinem Lokal den Spagat zwischen gehobener und erschwinglicher Küche. Deswegen gibt’s auch immer eine Festtagssuppe mit drei Einlagen, Wiener Schnitzel mit leicht gesüßtem Erdäpfel-Vogerlsalat, oder hauchdünne Palatschinken auf der Speisekarte. „Für ein Wirtshaus gehört das zum Portfolio dazu. Lieber ein saftiges Schnitzel als eine trockene Sachertorte. Ein Schnitzel ist auch so etwas wie eine Benchmark und ein Gradmesser. Jede*r kennt ein Schnitzel, vergleicht und merkt den Unterschied“, sagt Göttfried und bereitet jedes Schnitzel frisch zu. Ein Schnitzel kannst du nicht warm halten, das wird "letschert", fügt er hinzu. Natürlich beherrscht er auch die kreative Küche: Blunzn-Maki zum Beispiel, eine geschmackliche Offenbarung die nur noch von der Weinexpertise von Simone Göttfried übertroffen wird. Anmerkung: Es wäre grob fahrlässig im Lokal, auf ihre Weinempfehlungen zu verzichten.
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Kliemstein Vino Vitis
(Gault Millau: 15 Punkte, drei Hauben, Falstaff: 90 Punkte, drei Gabeln)
Für viele ist es das Wohnzimmer von Linz. Ein Teppichboden, gemütlich gepolsterte Bänke und aufmerksam, freundliches Personal verleihen dem Lokal eine familiäre Atmosphäre. Dazu ist mit Michael Müller ein umtriebiger Patron hinter dem Herd, der dank seiner Weinleidenschaft seit Jahren eine große Anzahl an Gästen zum Stammpublikum zählen darf. Vor allem Weinrunden finden in dem Lokal den perfekten Rahmen für ihre Treffen. Aber genauso Gäste, die sich an Wein herantasten möchten, oder Liebhaber*innen, die edle Tropfen (fernab des allseits Bekannten) aus handgefertigten Kristallgläsern verkosten möchten. Müllers Expertise kann man blind vertrauen. Das trifft übrigens auch auf seine Küchenleistung zu, die seine ganz persönliche Handschrift trägt und in dieser Form kaum im Land zu finden ist. Der mehrfach dekorierte Koch lässt sein kulinarisches Genie in altösterreichischen und iberischen Speisen (auch als Tapas) mehrmals die Woche aufblitzen. Den Dreiklang Österreich, Spanien und Portugal präsentiert Müller optisch prächtig im Stile eines Joan Miro, dazu die Leidenschaft von Fado und die bodenständige Art eines Österreichers. Müller stammt aus dem Lungau und verwendet gerne Eachtlinge, also Erdäpfel, die in der kühlen Salzburger Region besonders gut gedeihen - und schmecken. Man darf sich aber ruhig hie und da ein saftiges Steak gönnen, speziell der Mittwoch ist der Lende auf der Donaulände gewidmet.
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Verdi
(Gault Millau: 16 Punkte, drei Hauben, Falstaff: 94 Punkte, drei Gabeln, A la Carte: Top100, 91 Punkte, vier Sterne, eine Weinflasche)
Guiseppe Verdi zählt zu den besten Komponisten. Das Linzer Restaurant Verdi ist benannt nach ihm und befindet sich ebenso in einer Liga der Besten. Wer dem Gaumen die gewisse Exklusivität gönnen und seine Augen mit atemberaubendem Blick nach Linz verwöhnen möchte ist hier richtig. Gourmets müssen dazu allerdings das Linzer Zentrum verlassen, und die kurvige und enge Strecke von Urfahr Richtung Lichtenberg fahren. Nach zwei Kilometern erblickt man auf der linken Seite ein großes V. Das Zeichen für Gourmets.
Seit drei Jahren ist Philipp Lukas von seinen Wanderjahren zurück und wurde - wie sein Vater Erich und seine Großmutter – unter anderem im Münchner Tantris ausgebildet. Der Vater steht unterstützend zur Seite, man bemerkt aber die Linie vom Sohnemann, einem Meister der optischen Präsentation. Wie ein japanischer Origami-Künstler verpackt er die Gerichte zu anmutigen Kunstwerken. Und das Gute daran: er vergisst in seinen Kunstwerken den Geschmack nicht. Leicht wie ein Schmetterlingsschlag zieht sich sein Stil durch die Gerichte: Weniger Opulenz in Form von Butter oder Obers, dafür mehr Betonung auf Eigengeschmack und ein kompromissloser Zugang zu den besten Produkten. Wie die Goldforelle vom Weissensee: Lukas verarbeitet den Fisch zu Tartar, mischt etwas Couscous und Stangensellerie für Biss und Frische dazu und füllt damit ein blanchiertes Radicchio-Blatt wie einen Taco. Das Gericht erinnert an einen verzauberten Fisch, der scheinbar auf einem orangefarbenen Teich (Orangenvinaigrette mit Zitronenöl) zu schweben scheint. Immer wieder lässt Lukas fernöstliche Techniken und Aromen einfließen. Bei jedem Bissen meint man, Aidas Triumphmarsch auf dem Gaumen zu hören. Das Geschmackskonzert beenden die Petit Fours – kleine Kunstwerke bis zum flaumigen Minigugelhupf nach einem Rezept von Eckart Witzigmann – seit Jahren ein signature dish der Verdi.
Tipp: Die Weinkarte ist erfrischend anders strukturiert. Von „frisch und fruchtig, „Top in Rot“ bis hin zu „großes Vergnügen“ vereint sich die Weinprominenz aus dem In- und Ausland in der Karte.
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Einen haben wir noch
Holzpoldl
(Gault Millau: 16,5 Punkte, drei Hauben, Falstaff: 88 Punkte, zwei Gabeln, A la Carte: ein Fixstern, eine Weinflasche)
Neulichtenberg ist jetzt zwar nicht Linz, wenige Kilometer trennen die Gemeinde von der Hauptstadt. Aber Manuel Grabner kochte sich längst in die Herzen der Stahlstädter*innen und schuf in Linz und Umgebung ein kleines Gourmetreich. Haupthaus ist der Holzpoldl in Neulichtenberg. Der mehrfach ausgezeichnete Koch bespielt aber auch die Universität mit dem lässigen, nordisch anmutenden designten Lokal „Kuyo“, das wohlfeine, trendige Küche mit Blick auf den Campus bietet. Dazu catert Grabner regelmäßig und beliefert Firmen mit seinen Gourmetgerichten, Weinen vom Wakolbinger, oder er kocht und begeistert direkt bei Veranstaltungen auf der Bühne.
Produziert wird dennoch alles in Lichtenberg. Also auch die famose Rindsuppe mit Wurzelgemüse, Kaspressknödel, sein herzhaftes Kesselgulasch mit Serviettenknödel oder Erdäpfelnudel mit Nussbutterbrösel und Kräuterrahm. Speisen, die Grabner seit den Lockdowns auch in Gläser abfüllt und im Gourmetsackerl für daheim vermarktet. So schön es daheim sein kann, es ist für Gourmets fast Pflicht, ins Wirtshaus über der Nebelgrenze zu fahren und in eine kulinarische Welt einzutauchen, wo Genießer*innen von Hausmannskost genauso glücklich werden wie anspruchsvolle Hedonisten. Denn Grabner schafft gekonnt die Brücke zwischen Landgasthaus und Gourmetrestaurant.
Im Detail heißt das, dass die gebratene Bio-Pekingente aus Kremsmünster mit knuspriger Haut und saftigem, wohlschmeckendem Fleisch die Genießer*innen beeindruckt. Dazu zweierlei Knödel, in Schreiben gebratene Serviettenknödel und ein tennisballgroßer Traum aus Erdäpfelteig. Es benötigt eigentlich nicht mehr, um an der Pforte des Genusses zu klopfen. Wer es extravaganter will, bestellt sich Gänseleber mit fermentierten Zwetschken (Umeboshi) und Reis – ein Vergnügen.
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