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Das Gasthaus in der Adlergasse hat lange Tradition.
08.02.2023

Leopoldistube: Nonnenkloster, Bordell und Kultwirtshaus

Die Leopoldistube mit ihrer 200 Jahre alten, vertäfelten Stube könnte viele Geschichten erzählen. Besonders schön ist die von den Wirtsleuten, die als einer der ersten in Linz den Slow Food Gedanken vorlebten.

100 Meter sind nicht viel. Schon gar nicht für eine Straße. Die Adlergasse ist 100 Meter kurz, dennoch birgt sie einen langen Erfahrungsschatz. Die Sackgasse gilt als eine der ältesten Linzer Straßen, war ursprünglich die Verlängerung der Badgasse und endete an der Stadtmauer. Früher als „Froschengaßl“, „In der Arschgarben“, „Arschkerben“ oder als „Untere Badgasse“ bekannt, verlieh der Gasthof „Goldener Adler“ der Straße den Namen Adlergasse. Das Wirtshaus wurde zwar 1939 im Zuge der Errichtung der Brückenkopfgebäude abgerissen, geblieben ist der Name der Gasse - und das denkmalgeschützte Gebäude aus dem 14. Jahrhundert auf der Nummer 6.

Die alten Mauern haben schon viel erlebt.

Vom Kloster ins Rotlichtmilieu

Ordenschwestern nutzten einst das Gebäude als Rückzugsort. Dass es einen Geheimgang zum damaligen Männerkloster (heute Wirtshaus Alte Welt) auf dem Hauptplatz gegeben hat, weiß niemand mehr ganz genau. Aber ein Fenster vor dem Gebäude ermöglicht einen Blick in die angrenzenden Räumlichkeiten. Irgendwann wurde aus dem Kloster der Gasthof zur Stadt Würzburg - und danach die Leopodlistub’n.

Vor 50 Jahren galt die Stub’n noch als verruchtes Lokal in der damals zwielichtigen Gegend. Linzer*innern erinnern sich, dass „die Granden der Linzer Halbwelt und Linzer Originale wie der "Ofner Ferdl" ein und aus gingen“. Der Ferdl war ein Lokalmatador, ein Boxer, und ein kompromissloser Schläger mit kräftiger und großer Faust, der Probleme auf seine Art löste und so seinem Lebenslauf ein paar Vorstrafen hinzufügte. Es war eine ruppige Zeit: Viele Gläser, Knochen und Beziehungen gingen bei manchen Schlägereien in der Leopoldistube zu Bruch. Geblieben ist die 200-jährige Wirtshausstube mit edlen Holzvertäfelungen, mächtigen Tram und historischem Gewölbe. Perlen dieses Alters und in dieser Unversehrtheit findet man in Linz kaum noch. 1990 kaufte Karl Stingeder mit 58 Jahren das Gebäude, ging als Gerichtsbeamter in Pension – und wurde Wirt. Das Stüberl war Inbegriff für die besten Palatschinken, flaumige Buchteln und köstliche Rindsrouladen.

Traditionelle Holzvertäfelung im Gastraum.
Stylische Highlights in alten Gebäuden.

Die Ära der Nachhaltigkeit.

Nach einer kurzen gastronomischen Ruhepause übernahmen vor zwei Jahren die Künstlerin Nora Stinglmayr und Pierre Jean Levassor das Lokal und hievten es an die Spitze der kulinarischen Nachhaltigkeit. Seit zehn Jahren zeigt das Geschäftsduo, dass Nachhaltigkeit keine Worthülse ist. Wie ein frischer Alpenbach der Alpen beleben sie den Begriff und sprudeln voller Engagement. Handwerkliche Expertise, geschmacksvolle Seelenküche und ein unverhandelbarer Zugang zum Dreiklang „bio, regional und saional“ sind ihre lukullische DNA. Schon davor begeisterte das Team acht Jahre lang die Stahlstadt als Wirt am Graben. Seit zwei Jahren kochen sie als „Die Wirtsleut im Leopoldistüberl“ am neuen Standort auf.

Nora Stinglmayr kümmert sich im ihre Gäste.
Pierre Jean Levassor kocht im Leopoldistüberl.

Aber egal, wo die Wirten aufkochen, den Slow Food Gedanken verinnerlichten sie. „Angesichts der Klimadiskussion ist es die bessere Alternative“, erklärt Levassor seine Überlegungen. Den Großhandel zu umgehen und stattdessen ein bäuerliches Netzwerk aufzubauen ist eine weitere Zeile ihrer Visitenkarte. Auch wenn die Kommunikation und Kooperation mit den unzähligen Bio-Bauern und Bäuerinnen aus der Umgebung schwieriger und aufwendiger ist, als die Lebensmittel bequem über große Distributoren zu beziehen. Levassor ist kompromisslos. „Das ist unser Hauptding. Unser Grundbaustein. Ohne dem würde es nicht funktionieren. Die Gäste kommen auch genau deswegen zu uns.“

Regionale Köstlichkeiten werden immer frisch zubereitet.

Diese Bausteine haben ein Gesicht - und einen Namen. Sie heißen Gaby, Tanja, Martin oder Hans und liefern Gemüse, Eier oder Wein – alles in Bioqualität. Levassor veredelt die Zutaten zu heimischen Schmankerln und verleiht ihnen einen Hauch französischer Küchenkunst. „Ich verwende Rezepturen aus der Wiener Küche und aus Frankreich. Das sind die Pole meiner Philosophie. Man trifft sich in der Mitte“, erklärt der Koch mit französischen Wurzeln.

Im Zentrum befindet sich dennoch die Oberösterreichische Küche: Leinölerdäpfel, die kulinarische Seele des Mühlviertels, finden Genießer*innen regelmäßig auf der Karte. Eine Spielart des Pürees, wo Kartoffeln mit Milch und gold schimmerndem Leinöl zu einer sämigen glücksbringenden Einheit verschmelzen. Das gilt auch für die heimischen Fische: von Saibling, Wels bis Karpfen. Levassor brät, kocht oder schmort die Fluss- und Seebewohner und verleiht ihnen noch mehr geschmackliche Eleganz.

Bei der Qualität machen die Wirtsleute keine Kompromisse.
Hier wird regional gekocht.
Süße Nachspeisen, die glücklich machen.

Tipps sind aber auch die mächtigen Knödel, gefüllt mit Speck, Blunzn oder Grammeln. Oder Leberschedl, ein weiteres kulinarisches Aushängeschild von Oberösterreich. Dazu ein süffiges und malzbetontes Mühlviertler Bier der Beer Buddies: ein Märzen, hergestellt aus Altbrot der Biobäckerei Brotsüchtig. Ein weiterer Trumpf der Nachhaltigkeit. Aber das ist eine andere Geschichte. Und die ist 900 Meter von der Leopoldistube entfernt. 

Ein Schnaps als Nachspeise ist typisch für Oberösterreich.
Auch das Bier kommt aus der Region.

Ein Gastbeitrag von Philipp Braun.

Die Wirtsleut im Leopoldistüberl

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