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Blick auf Linz von Urfahr
15.10.2020

Städte-Tourismus während und nach Covid

Der Zukunftsforscher Andreas Reiter vom ZTB Zukunftsbüro beschäftigt sich mit Trends und Entwicklungen und gibt einen Ausblick auf das Reisen.

Der Städtetourismus ist (neben dem Kongress-Bereich) das am stärksten durch Corona betroffene touristische Segment. Bis März 2020 noch der große Wachstumstreiber, ist der Städtetourismus nun abgeschnitten von seinen internationalen Märkten, seine wichtigsten Magneten (die Kultur- und Kreativszene) hängen noch in den Seilen, Geschäftstourismus und Gruppengeschäft sind stark angeschlagen. Wie geht es weiter? Gibt es Licht am Ende des Tunnels? Die touristische Erlebnisökonomie durchläuft jetzt zwei Phasen: die Transitphase (aktuell) und die Post-pandemische Phase.

Zukunftsforscher Andreas Reiter

Transitphase im Tourismus

Diese Phase dauert so lange, bis ein Impfstoff auf den Markt kommt (vermutlich Mitte 2021) oder bis die Gesellschaft – der permanenten On-/Off-Bestimmungen, des Wechselspiels an Lockerungen und Beschränkungen müde – einen anderen, „unaufgeregteren“ Umgang mit dem Virus einpflegt.

In dieser Zeit sind die Erwartungshaltungen der Touristen klar gedämpft und die Reiseradien überschaubar (verreist wird meist mit dem Pkw, im 4-5-Stunden-Radius). Es ist die Phase der Reduktion. Die Touristen verzichten quasi auf die Steigerung der „Lebensintensität” (Tristan Garcia). Retro-Formate (Ferienappartements, Camping etc.) werden bevorzugt, in der touristischen Produktsemantik ist Serotonin wichtiger als Endorphin. Kein großes Kino also. Nature Pleasure kommt vor Socio Pleasure, Natur vor Geselligkeit (Events etc.). In dieser Phase haben Städte naturgemäß einen massiven strategischen Nachteil – sie werden mit Menschenansammlungen  und damit möglichen Infektionsrisiken assoziiert. Die touristische Reise des Kunden wird allein durch die epidemiologische Brille gesehen – und das bedeutet: kuratierte Distanz. Abstands- und Hygieneregeln bestimmen die Ausgestaltung der Customer Journey. Touchless Service, berührungslose Exzellenz, Abstands-Apps. Der Zugang wird zur neuen Leitwährung. Wer künftig ins Museum oder ins Restaurant will, muss sich vorher registrieren. First come, first served. Ein Schub an smarten Tracking- und Visitor-Management-Systemen steht Destinationen bevor, künstliche Intelligenz sorgt für intelligente Gästelenkung.

Post-pandemische Phase

Die Phase nach Corona (ab Sommer 2021) bringt einen neuen Wachstumsschub im Tourismus mit sich. Das pralle Leben poppt wieder auf und damit die ungebändigte Reiselust. Die Asiaten kommen wieder nach Europa (diesmal allerdings mit smarter Besucherlenkung). Nachdem die Abstandsbarrieren wieder gefallen sind, gibt es einen gewaltigen Boom an haptischen, multisensuellen Formaten. Socio Pleasure kommt jetzt vor Nature Pleasure. Die Erlebnisökonomie zündet eine neue Stufe: Die Menschen entwickeln einen gewaltigen Nachholbedarf an gemeinschaftlichen Erlebnissen, kollektiven Dopamin-Ausschüttungen und spektakulären Events. Es kommt zu einer neuen Festivalisierung, die Kultur erlebt ein starkes Revival. Man sucht das Glück – post-Corona – weniger dort, wo es leise ist, als dort, wo es lebendig und inspirierend ist (unter anderen Menschen). Es kommt zu einer neuen Blüte des Städtetourismus.

 

Gastbeitrag von  Andreas Reiter 

Titelbild: ©Johann Steininger

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