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Florian Schramm in seinem Lokal „Standard Pizza“ in Berlin.
03.08.2022

Missing Linz 19: Neapel in Berlin – serviert von einem Linzer

Warum macht ein Linzer neapolitanische Pizza in Berlin? Florian Schramm verrät im Missing Linz-Interview, wie es zu seiner Erfolgsstory kam und wo er sich gerne aufhält, wenn er in seine Heimatstadt „Linz an der Tramway“ zurückkehrt. Ein Gespräch ganz ohne Geheimniskrämerei.

Florian, du bist in Linz aufgewachsen, hast an der Kunstuni studiert und besitzt nun gleich mehrere Pizza-Läden namens „Standard Pizza“ in Berlin. Das klingt nach einer spannenden Geschichte. Erzähl bitte, wie es dazu gekommen ist.

Nach meinem Abschluss 2007 in Malerei & Grafik habe ich mich zuerst mal auf Reisen nach Spanien und Frankreich begeben. Berlin vibrierte zu dieser Zeit. Dort wollte ich hin, um kreativ zu arbeiten. Nachdem ich eine Zeit lang in der Gastro gearbeitet habe, ließ mich die Idee nicht los, selbst ein Lokal zu eröffnen. Eine Pizzeria mit „echter“ neapolitanischer Pizza gab es damals im dynamischen Berlin – zu meinem großen Erstaunen – noch nicht. Standard Pizza war wahrscheinlich die erste neapolitanische in ganz Deutschland.

Neapolitanische Pizza aus dem Lokal „Standard Pizza“ von Florian Schramm.

In meiner Vorstellung braucht man dafür ein gut gehütetes Familiengeheimnis, zumindest eine Oma mit italienischen Wurzeln und Tomaten aus Sizilien.

Ich scheinbar nicht. Ich war ein paar Mal zu Recherchezwecken in Neapel und auch bei neapolitanischen Pizza-Läden in Kalifornien, die dort bereits vereinzelt eröffnet hatten. Es gibt keine Geheimnisse, nur eine Aneinanderreihung von einzelnen Bausteinen, die alle gut gemacht werden müssen. Ich habe auch kein italienisches Familienrezept vererbt bekommen – es bleibt bei Mehl, Wasser, Hefe und etwas Salz. Das ist seit der Erfindung der Margarita im Jahr 1890 so. Und dass es für eine richtig gute Pizza richtig gute Zutaten und einen heißen Ofen braucht, ist auch kein Geheimnis.

Und was macht dann den Erfolg deiner mittlerweile drei Standorte aus?

Wie gesagt, die Pizza muss gut sein. Aber ich finde, man muss die Dinge mit einer gewissen Originalität angehen, sie gerne und cool machen. Mir war eine lässige Atmosphäre im Lokal wichtig. So kommen die Leute, die vor acht Jahren bei mir ihr erstes Date hatten, jetzt mit ihren Kindern Pizza essen. Ich habe einfach Leidenschaft in die Sache gesteckt und hatte Spaß daran. Und als ich begonnen habe, mich für Wein zu interessieren, ist meine Weinkarte gewachsen. Das spüren die Leute und ist authentisch.

Und wie geht’s weiter?

In der Gastro fehlt das Personal. Ich möchte gerne eine Standard Pizza-Academy initiieren, um die Leute selbst auszubilden und für diese Arbeit zu begeistern. Und auch um interessierten Hobby-Pizzabäckerinnen und -bäckern ein paar gute Tipps zu geben. Wie gesagt, es gibt keine Geheimnisse.

Florian Schramm in seinem Lokal „Standard Pizza“ in Berlin.
Neapolitanische Pizzen aus dem Lokal „Standard Pizza“ von Florian Schramm.

Apropos gute Tipps: Welche Locations würdest du Freunden empfehlen, wenn sie in deine Heimatstadt Linz fahren?

Zum Essen würde ich sie ins Rossbarth schicken, eines der besten Restaurants der Stadt, das zwei Freunde von mir betreiben. Oder sie setzen sich in die Lokalbahn und fahren etwa eine halbe Stunde entlang der Donau hinauf Richtung Mühlviertel zu Philip Rachingers Mühltalhof. Das mag ich an Linz ganz besonders – in wenigen Minuten ist man im Grünen, auf den Hügeln, an der Donau oder an den Seen.  

Meine Freunde würde ich auch zu meinem Lieblingsplatz schicken. Das ist der wunderschöne Park am Freinberg, der einen atemberaubenden Ausblick auf die Donau und die Stadt ermöglicht, besonders von der Franz-Josefs-Warte. Früher war ich dort hin und wieder mal zum Schwänzen oder einfach zum Lesen. Wenn ich Linz besuche, will ich jedes Mal dort hin. Außerdem würde ich ihnen den Donaustrand in Alt Urfahr empfehlen, ein Künstlerviertel, das allerdings mehr Lokale bräuchte. Wobei ich an dieser Stelle das Cafe Strom in der Stadtwerkstatt erwähnen möchte. Die Stadtwerkstatt hat als Kulturzentrum extrem viel dazu beigetragen, dass Linz heute eine lässige Kulturstadt ist.

Franz-Josefs-Warte am Freinberg in Linz.
Franz-Josefs-Warte am Freinberg in Linz.
Ausblick von der Franz-Josefs-Warte am Freinberg in Linz.

Bist du selbst noch oft in Linz? Welche Anlässe ziehen dich in die Stadt?

Die Familie ist eigentlich der Hauptgrund für meine Linz-Besuche. Doch ich versuche diese dann so zu legen, dass das auch mit kulturellen Highlights zusammen passt. Gerne darf es auch mal ein verlängertes Wochenende Anfang September sein, um die Ars Electronica zu besuchen. Die Kunst – und auch die Medienkunst – ist mir dann doch noch sehr nahe.

Gibt’s Gewohnheiten – etwas, was du immer machst, wenn du da bist?

Ich gehe gerne zum Leberkaspepi, das muss einfach sein. Oder zur österreichischen Institution des Würstelstands. Bevorzugt spätnachts, zu dem am Taubenmarkt.

Was kennt man außerhalb Österreichs von Linz?

Ganz klar die Medienkunst und das Ars Electronica Festival mit der Klangwolke. Und – auch wenn’s viele Österreicher nicht wissen – die Linzer Torte. Das älteste bekannte Tortenrezept der Welt aus dem 17. Jahrhundert ist eine Berühmtheit. Ich freu mich immer sehr, wenn mir meine Eltern eine Linzer Torte nach Berlin schicken. 

Und Linz wird natürlich stark mit ihrer Stahlindustrie in Verbindung gebracht. Auch wenn niemand hören will, dass ein Drittel der Stadt Industriefläche ist, bringt sie auch einen gewissen Wohlstand mit sich. Ich hatte auch einmal einen Ferialjob direkt am Hochofen.

Was ist typisch Linz für dich?

Der Einheimische, der genervt ist von der heraufströmenden Donauschifffahrt-Reisegruppe. Nein. Die Linzer Torte wahrscheinlich und auf jeden Fall die Donau, die wunderbar ins Stadtbild integriert ist. 

Da fällt mir noch was ein: Ich habe einmal in einem 400 Jahre alten Haus in der Altstadt gewohnt. Meine Nachbarin, ebenfalls sehr betagt, sagte damals immer „Linz an der Tramway“ anstatt „Linz an der Donau“. Und diese eine Linzer Straßenbahn, die sich wie der Fluss von einem Ende der Stadt zum anderen durchzieht, ist irgendwie auch typisch Linz.

Portrait von Florian Schramm.

Florian Schramm, geboren 1983, ist in Linz aufgewachsen und hat dort die Grafik & Malerei auf der Kunstuniversität studiert. 2009 zog er nach Berlin und eröffnete 2014 „Standard Pizza“, das erste Lokal Berlins mit neapolitanischer Pizza. Während der Corona-Pandemie hat er sein Unternehmen um zwei Standorte erweitert. www.standard-berlin.de 

Ein Gastbeitrag von "jungskommunikation".

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