Frau Schirasi-Fard, blicken wir auf Ihre sieben Jahre am Linzer Landestheater zurück. Welche Rollen haben Sie besonders gern gespielt.
Eine der wichtigsten war sicher die Rolle des Yitzhak im Musical Hedwig And The Angry Inch. Die Erfolgsproduktion lief vier Spielzeiten lang. Les Misérables und Hairspray waren für mich ebenfalls ganz besondere Produktionen. Schließlich das Musical Ragtime, das zwar vor hundert Jahren spielt, aber durch die Themen Migration und Integration kaum aktueller sein könnte.
Ihre Karriere in Linz begann mit dem Neustart des Musiktheaters. Haben Sie den „wind of change“ verspürt?
Mir fehlt der Vergleich zur Zeit davor. Aber was ich sehr wohl bemerkt habe, ist der Stolz der Linzer und Oberösterreicher auf „ihre“ beiden Theater, das Schauspielhaus und das Musiktheater. Zurecht, wie ich finde. Verglichen mit anderen Stationen meiner Laufbahn kann ich sagen, dass die Qualität der Inszenierungen, des Ensembles sowie die technischen Möglichkeiten des Musiktheaters großartig sind. Das fantastische Publikum in Linz hat die neu gegründete Musical-Sparte sofort angenommen und vertraut auch bei jenen Produktionen in die Kraft des Ensembles, die in Österreich noch kaum bekannt sind. In professioneller Hinsicht beeindruckt mich, dass die Verantwortlichen im Bereich Musical genauso viel Wert auf das Schauspiel, wie auf den Gesang legen. Besetzungen werden nie nur nach Stimme vorgenommen. Vielmehr kommt es darauf an, eine Rolle auch spielen und verkörpern zu können.
Wie sah Ihr typischer Linz-Arbeitstag aus?
So wie an vielen Theatern gab es auch am Landestheater zwei Probenblöcke, vormittags und abends. Nach dem Frühstück hab ich mich meistens aufs Rad geschwungen und bin zur Probe gefahren. Um 13:45 Uhr war Mittagspause. Gab es abends eine Vorstellung, kam ich so um 17:30 Uhr wieder ins Haus, um einzusingen und in die Maske zu gehen. Abendproben dauerten meistens von 19:00 bis 22:00 Uhr. Die Mittagspausen habe ich genutzt, um essen zu gehen. Ich bin eine leidenschaftliche Essen-Geherin und Im-Kaffeehaus-Sitzerin. Das war meine Chance, etwas mehr von der Stadt mitzubekommen.
Wo hat man Sie da meistens angetroffen?
Zum Essen bin ich besonders gerne ins Gelbe Krokodil gegangen. Ein Lokal, das ich in Wien tatsächlich vermisse. Die Landschaft der Cafés hat sich im Verlauf meiner Zeit in Linz sehr gut entwickelt und vergrößert. 2012 gab’s hauptsächlich das Traxlmayr und das Café Meier, später saß ich vor allem im tiktak, direkt neben dem Musiktheater. Oder im Horst in der Mozartstraße, wo ich mit meinem Kollegen Rob Pelzer eine WG gegründet hatte. Sehr wichtig für mich waren auch die Gerberei am Pfarrplatz und – ganz am Ende meiner Linzer Zeit – das Little Dancer. Das gehört einem Paar, einem Iren und einer Österreicherin, die ich, so wie alle anderen erwähnten Kaffeehausbesitzer alsbald ins Herz geschlossen habe. Ich bin eine, die sehr schnell mit den Leuten zu quatschen beginnt, und habe daher rasch viele Kontakte geknüpft.
Dem Vernehmen nach waren Sie ordentlich unterwegs in der Stadt.
Das stimmt. Aber egal, in welchen Städten ich mich gerade aufhielt, ich wollte immer das Leben vor Ort mitkriegen. In Linz wollte ich ebenfalls Teil der Stadt werden und meinen Beitrag für sie leisten, etwa durch das Unterstützen kleiner lokaler Unternehmen. Ich war in Linz übrigens so gut wie nie mit dem Auto unterwegs, sondern zu Fuß oder mit dem Rad. In der Fahrradwerkstätte B7 habe ich mir zu Beginn meines Engagements ein kleines Puch-Fahrrad gekauft, mit dem ich durch die Stadt gedüst bin und das ich heute noch besitze.
Wie hat es Sie überhaupt nach Linz verschlagen?
In der Musical-Szene im deutschen Sprachraum hatte sich herumgesprochen, dass in Linz etwas Neues passieren wird. Ich habe mich nebst vielen anderen beworben, zumal ich schon davor mit Matthias Davids, dem künstlerischen Leiter der Musical-Sparte in Linz, gearbeitet hatte. Glücklicherweise wurde ich aufgenommen – nach Jahren in Deutschland endlich ein Engagement in der Nähe meiner Heimatstadt Wien, wo ich aufgewachsen bin und meine Familie lebt. Trotzdem wollte ich nicht pendeln, sondern in der Stadt leben, in der ich arbeite. Dass es schließlich fast sieben Linzer Jahre wurden, hatte ich nicht geahnt. In der Musical-Branche sind derart lange Verweildauern an einer Spielstätte total unüblich.
Abgesehen von Essen und Kaffeetrinken, wo haben Sie Ihre Freizeit sonst noch verbracht?
So wahnsinnig viel Freizeit bleibt in unserem Beruf gar nicht. Aber ich war relativ oft im Moviemento und im City. Dank dieser beiden Programmkinos ist Linz super aufgestellt, was Filme in Originalsprache betrifft. An schönen Tagen zog es mich manchmal zu Fuß oder per Bahn auf den Pöstlingberg, im Sommer an den Pleschinger See. Hatte ich abends Zeit, bin ich gern mit meinem Backgammonbrett im Exxtrablatt gesessen und habe mit Kollegen gespielt.
Was haben sie Ihren Besuchern in Linz gezeigt, wohin haben Sie sie verschleppt?
In erster Linie in die Altstadt. Besonders den Wienerinnen und Wienern habe ich die Umrisse der Pummerin vor dem Landhaus gezeigt. Dann ging’s auf ein Erdbeeromelette beim Jindrak, zur k.u.k Hofbäckerei oder auf ein köstliches Mittagessen beim Italiener Non Solo Vino. Das Ars Electronica Center oder das Lentos standen sowohl bei Besuchern, als auch bei mir hoch im Kurs.
Was hat Sie aus Linz fortgelockt?
Ich habe mich nicht gegen Linz, sondern für eine neue Aufgabe entschieden. Das Weggehen war sozusagen die unangenehme Begleitmusik dabei. Mir war immer wichtig, nicht den Punkt, an dem man aus Gemütlichkeit – und nicht aus Überzeugung wo verweilt, zu erreichen. Ich möchte brennen für das, was ich tue. In Linz war das stets der Fall. Das Angebot, Teil des Ensembles im Wiener Kabarett Simpl zu werden, sorgte dafür, dass ich wegging, ehe das Feuer erloschen war. Ich liebe Linz noch immer, habe mir mehrfach Produktionen meiner ehemaligen Kollegen angesehen – und würde ab und zu gerne eine Gastrolle hier übernehmen. Das offenherzige Linzer Publikum hat mich ja noch nicht vergessen. Im Simpl ist es mittlerweile öfters passiert, dass mich Leute nach der Vorstellung abgepasst und mir erzählt haben, sie kämen aus Linz und seien extra wegen mir nach Wien gefahren. Ich empfinde das als großes Kompliment und freue mich sehr darüber.
Gibt es Dinge, die sie an Linz störten bzw. stören?
Hat man länger in Deutschland gelebt, dann stört einen nicht nur in Linz, sondern in ganz Österreich, dass die Geschäfte so früh schließen. Das lässt sich mit meinen Dienstzeiten nur schwer vereinbaren. Bedauerlich finde ich in Linz, dass viele Geschäfte abseits von Landstraße und Fußgängerzone ums Überleben kämpfen oder schon leer stehen. Ich hoffe sehr, dass den Menschen im Gefolge der Corona-Pandemie klar wird, wie wichtig die Unterstützung kleiner regionaler Betriebe ist. Es zahlt sich aus, vom Mainstream der Landstraße in die kleinen Gassen und ihre Geschäfte zu schauen. Dort gibt es zahlreiche Schätze zu finden.
Können Sie uns zum Abschluss noch einen besonderen Linz-Moment schildern?
Hm. Okay, einer fällt mir ein. Während meiner ersten Spielzeit gab es dieses wahnsinnig starke Hochwasser im Juni 2013. Im Gegensatz zu den Einheimischen, die mit solchen Situationen zu leben gelernt haben, bin ich leider viel zu spät draufgekommen, dass ich meine Gummistiefel nicht nach Linz mitgenommen hatte und mir schleunigst welche besorgen sollte. Die waren aber in der ganzen Stadt ausverkauft. Das Paar, das ich nach einiger Wartezeit doch bekam, war alles andere als hübsch, zumindest aber dicht. Ich ging dann an die Donau und war fassungslos, wie weit sie aus den Ufern getreten war. Am Ende der Theaterspielzeit veranstaltete das Landestheater ein Benefizkonzert für die Hochwasseropfer, an dem ich selbstverständlich gerne mitwirkte.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Schauspielerin und Sängerin Ariana Schirasi-Fard wurde 1985 in Wien geboren und wuchs in Mödling (NÖ) auf. Nach Abschluss ihrer Bühnenausbildung 2006 arbeitete sie an Häusern im gesamten deutschen Sprachraum, ehe sie ab der Spielzeit 2012/2013 bis zum Ende der Saison 2018/2019 Ensemblemitglied der neu gegründeten Musical-Sparte am Linzer Landestheater war und zum Publikumsliebling avancierte. Seit Herbst 2019 ist sie Teil des Ensembles am Wiener Kabarett Simpl.
www.ariana-sf.com
Ein Blogbeitrag von "jungs kommunikation"
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Titelbild: ©just smile pics
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