Sie haben an der Linzer Johannes-Kepler-Universität Volkswirtschaftslehre sowie Handelswissenschaften studiert und waren hier als Assistenzprofessor tätig. Haben Sie auch direkt in Linz gewohnt?
Ich habe circa zwei Jahre im Raab-Studentenwohnheim im Norden von Linz gelebt und bin dann in die Innenstadt gezogen, in die Goethestraße.
Woran erinnern Sie sich gerne, wenn Sie an die Zeit in Linz denken?
Lässig im Raab-Heim war, wenn sich im Sommer das ganze Heim zum Pleschinger See bewegt hat. Auch den zehnminütigen Spaziergang zur Uni fand ich nett. Die Zeit in der Innenstadt war aber sicher spannender. Die Gegend östlich der Landstraße war heute wie damals ziemlich multikulturell geprägt. Wir hatten ganz in der Nähe einen türkischen Laden, wo man jederzeit alles bekommen hat. Mit supernetten Leuten, toller Qualität – das war richtig gute Nahversorgung zu günstigen Preisen.
Woran erinnern Sie sich weniger gern?
Dazu gehört sicher der Lärm in der Innenstadt. An der Achse Humboldtstraße und Dinghoferstraße war es relativ laut. Und die Hitze. Es war damals schon sehr heiß im Sommer. Aber das habe ich mir selbst ausgesucht. Weil ich mittendrin sein wollte, und nicht irgendwo am Rand.
Wo waren Sie unterwegs, was waren Ihre Stammlokale?
Die Landstraße bot und bietet viele Möglichkeiten, das Josef gab es damals zum Beispiel schon. Wir waren auch viel in kleineren Bars in der Gegend. Direkt neben unserem Wohnhaus in der Goethestraße war eine Pizzeria – die war immer offen, nicht nur zum Pizzaessen. Da konnte man auch zu zehnt spontan hingehen. Heute muss man überall reservieren, da hat sich etwas geändert. Ich war zu bestimmten Anlässen auch gern im Restaurant Agathon. Das war klein und fein, aber nichts, was man sich als Student täglich leisten konnte. Ich mag den Biergarten im Klosterhof – wenn mich mein Vater in Linz besucht hat, waren wir dort. Daran habe ich sehr gute Erinnerungen. Ich war vor kurzem wieder da und es hat sich nichts geändert, immer noch dieselben Bäume und dieselbe komische, aber heimelige Konstellation unter den Lauben.
Wohin zog es Sie in der Freizeit?
Ich war oft mit dem Rad unterwegs, man ist ja schnell im Grünen. Etwa am Radweg an der Traun, entlang der Donau nach Grein oder die Donau aufwärts nach Ottensheim und anschließend mit der Fähre rüber nach Wilhering. Und wenn man’s mal anstrengender will: Mit dem Rad ins Mühlviertel rauf, das ist genauso nah und unkompliziert.
Gibt es etwas in oder an der Stadt, wonach sie sich hie und da sehnen?
Linz ist für mich die einzige österreichische Großstadt, die an einem richtigen Fluss liegt. Die Salzach oder die Mur sind im Vergleich zur Donau doch bescheidenere Gewässer. Und in Linz ist die Donau nicht wie in Wien irgendwo am Rand. Jetzt in der Bundeshauptstadt seh‘ die Donau ja oft monatelang nicht, höchstens vielleicht aus dem Flugzeug. In Linz ist die Donau ein prägendes Element der Stadt und ich finde es schön, wie sie ins Stadtbild integriert ist.
Wohin zieht es Sie, wenn Sie in Linz sind?
Wir fahren gerne vom Hauptplatz aus mit der Bahn auf den Pöstlingberg, um die Stadt von oben zu sehen: Da bemerkt man nicht nur, wie eng Linz an die Donau geschmiegt liegt, sondern auch, dass es eine ziemlich krasse Industriestadt ist. Fast die Hälfte des Stadtgebietes sind Hochöfen, Destillationsanlagen, Eisenbahnnetzwerk und Hallen. Da qualmt‘s, raucht‘s und kracht‘s und man erkennt: die Stadt ist nicht nur Barockidyll wie am Hauptplatz, sondern auch richtige Industrie.
Auch das Pflasterspektakel zieht uns immer wieder nach Linz und begeistert Jung und Alt.
Wie beurteilen Sie die Entwicklung von Linz in den vergangenen Jahrzehnten? Wie hat sich die Stadt verändert?
Ich erinnere mich noch daran, dass es früher Industrieschnee gab, als Fallout von der VOEST. Damals hat man schon gemerkt, dass Industrie auch dreckig ist. Heute sind die Nachteile durch die Schwerindustrie nicht mehr spürbar. Linz hat sich erfolgreich als Kulturplatz etabliert, unter anderem wurden mit dem Musiktheater wichtige Akzente gesetzt, und das Feeling der Stadt hat sich verändert. Gleichzeitig ist Linz aber immer noch eine Stadt, in der man richtiges Oberösterreichisch hört. In der die Leute echt arbeiten, und zwar nicht nur hochgeistig, sondern mit Werkzeugen, Lärm und Hitze Output erzeugen, das tägliche Brot backen oder in der VOEST Autobleche formen.
Wie sehen Sie Linz als Tourismusstadt?
Überraschend gut. Als ich selbst hier lebte, habe ich das nie so gesehen. Aber jetzt komme ich selbst als Tourist in die Stadt. Wir waren vor kurzem im Rahmen einer Beiratssitzung auf einer Bootsrundfahrt durch den Linzer Hafen, das fand ich sehr beeindruckend und verblüffend. Hidden treasures, die man nicht vermutet. Was auch überraschend war: Linz ist mittlerweile Destination für die Donaukreuzfahrt, die Leute fahren nicht nur Passau – Dürnstein – Wien. Sondern bleiben auch für einen – wohl angenehmen, weil nicht überrannten – Zwischenstopp in Linz stehen. Hier kann man noch Land und Leute kennenlernen. Man schlendert über die Landstraße, geht auf eine Linzer Torte zum Jindrak. Ganz ohne Schlange stehen zu müssen.
Sie haben selbst unter anderem in Linz studiert, waren als Professor an unterschiedlichen Unis tätig. Wie beurteilen Sie Linz als Hochschulstandort?
Die JKU ist als junge Uni eine große Erfolgsgeschichte, Linz hat sich generell als Hochschulstandort sehr bewährt. Die neue Digitaluni kann neuen Schwung und wichtige Impulse bringen. Die Stadt als Hochschulstandort zu pushen und junge Talente aus der ganzen Welt anzuziehen, hat großes Potenzial für die Stadt insgesamt.
Wohin geht es für Linz? Wo sehen sie das größte Entwicklungspotenzial für die Zukunft?
Die Transformation raus aus dem Fossilen ist für Linz nicht nur eine große Herausforderung, sondern eine Riesenchance. Linz beherbergt extrem CO2-intensive Industrien. Wenn eine dekarbonisierte Stahlindustrie mitten in der Stadt gelingt, wäre das gewaltig, vergleichbar mit Linz-Donawitz. Das könnte für die ganze Welt ein Beispiel setzen. Menschen würden nach Linz kommen, um sich anzusehen, wie sich grüne, saubere Industrie, Arbeitsplätze, kurze Logistikwege in einem urbanen Raum mit hoher Lebensqualität verbinden lassen. Linz ist hier früh dran und hat zwei bis drei Jahre Vorsprung vor anderen Industriestandorten. Damit es klappt, braucht es die tolle Forschung und Wissenschaft, die in Linz da ist.
„Typisch Linz“ ist für Sie …
… das Nebeneinander von Industrie, Stadt und Kultur; von Arbeiten, Wohnen und Leben.
Gabriel Felbermayr (geboren 1976 in Steyr, aufgewachsen in Bad Hall) ist seit Oktober 2021 Direktor des Österreichischen Institutes für Wirtschaftsforschung (WIFO) in Wien und Universitätsprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU). Der Ökonom ist international gefragter Experte. Seine Forschungs- und Beratungstätigkeit konzentriert sich unter anderem auf internationale Handelstheorie und -politik, Arbeitsmarktforschung und aktuelle Themen der Wirtschaftspolitik.
Ein Gastbeitrag von "jungskommunikation".
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