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Monika Sommer leitet heute das Haus der Geschichte Österreich in Wien.
06.10.2022

Missing Linz 20: Roter Himmel über Linz - Stahlstadtromantik mit Monika Sommer

Vom Schlossberg aus den „brennenden“ Abendhimmel über Linz beobachten – eine Erinnerung, die Monika Sommer mit Sehnsucht erfüllt. Was die Direktorin des Hauses der Geschichte Österreich und Einheimische natürlich wissen: Das Spektakel kommt vom halbstündlichen Abstich im Stahlwerk der voestalpine.

Frau Sommer, Sie sind in Linz aufgewachsen und haben mit 18 Jahren die Stadt verlassen. Welche Erinnerungen an diese Zeit sind besonders einschneidend?

Ich bin ein richtiges Linzer Stadtkind. Das Domviertel war meine Heimat und auch ungefähr der Radius, in dem ich mich bewegt habe. Insgesamt hatte Linz eine nicht besonders kinderfreundliche Altstadt, wenn man das so sagen darf. Dafür waren die Ausflüge mit den Eltern ins nahe Grün umso schöner. Das Linz meiner Jugend bleibt für mich eine ambivalente Zeit zwischen kulturellem Aufbruch und dem dunklen Schatten der Gewalt. Ich kann mich an drei Morde erinnern, teils ungeklärt und in unmittelbarer Nachbarschaft. Da ging man als Mädchen oder junge Frau mit Vorsicht, oder aus Elternsicht am besten gar nicht allein durch die damals noch sehr dunklen Teile der Altstadt. 

Wohin hätten oder haben Sie sich als junge Frau gerne bewegt?

Jugend am Bauernberg in Linz.

Da gab es schon viele Orte an denen ich gerne war. Zum Beispiel am Bauernberg hinter dem Mariendom oder am Schlossberg vorne an der Donau. Als Jugendliche ging ich gerne auf Konzerte in der Stadtwerkstatt oder im Posthof. Und ich mochte schon immer das Landestheater und die Musicals. Ach, Jesus Christ Superstar war großartig! 

Als extrem beeindruckend ist mir die einzigartige Lichtstimmung vom Schlossberg aus in Erinnerung geblieben. Wenn das gigantische Stahlwerk am Horizont einen Abstich macht, leuchtet der Himmel in den schönsten Rottönen. Das ergibt eine eigenwillige Schönheit. Alle halben Stunden wiederholt sich das beeindruckende Spektakel, bei dem letztlich der Abfall der Stahlproduktion zum Abkühlen ausgeschüttet wird.

Das ist ja zum Dahinschmelzen! Stahlstadtromantik pur! Aber es reichte scheinbar nicht, um Sie nach der Matura noch länger in der Stadt zu halten.

Ja, mit 18 Jahren wollte ich unbedingt mehr sehen und habe mir ganz bewusst ein Studium gesucht, das es in Linz nicht gibt. Geschichte nämlich. Zuerst ging ich nach Graz, bis auch das mir zu klein wurde. Seither lebe ich in Wien – mittlerweile tief verwurzelt und mit Ehemann und vier Kindern, die alle sehr gerne regelmäßig in Linz zu Besuch sind.

Stahlstadt Linz.

Sie sind Gründungsdirektorin des Haus der Geschichte Österreich, das 2018 in der Neuen Burg am Heldenplatz eröffnete wurde. Fällt Ihnen spontan ein Exponat ein, das mit Linz zu tun hat?

Ja, zum Beispiel das Mikrophon von Adolf Hitler, das er vermutlich im März 1938 bei seiner Anschlussrede in Linz verwendet hat. Das Objekt wurde über Jahrzehnte u. a. im ORF Oberösterreich aufbewahrt, war dann kurz in privaten Händen und hat nun seinen Platz im Haus der Geschichte gefunden. Aktuell ist es in der Ausstellung „Hitler entsorgen. Vom Keller ins Museum“ ausgestellt.

Der Nationalsozialismus in Linz war Thema der Ausstellung „IN SITU”, die Sie gemeinsam mit Dagmar Höss und Heidemarie Uhl für Linz09 erarbeitet haben. Wie sehen die Aufarbeitung der NS-Zeit in der Stadt, die Adolf Hitler als eine Heimatstadt bezeichnete?

Pionierhaft – was die wissenschaftliche Dimension betrifft. Wenn ich mir was wünschen könnte, dann mehr Sichtbarkeit im öffentlichen Raum. Eine schöne Geste ist die Benennung eines Platzes nach Simon Wiesenthal. Schließlich lebte er 15 Jahre in Linz, wo er seine Nachforschungsarbeit über NS-Täter wie etwa Adolf Eichmann begann. 
Für die Auseinandersetzung mit Linz in der Zeit des Nationalsozialismus trat schon unsere Outdoor-Schau „IN SITU. Zeitgeschichte findet Stadt“ im Kulturhauptstadtjahr 2009 ein. 65 gesprayte Markierungen im öffentlichen Raum der Stadt erinnerten an Linz als „Führerstadt“. Linz muss sich dieser Vergangenheit stellen und kann nicht darüber hinwegsehen.

INSITU macht Zeitgeschichte in der Stadt sichtbar.
INSITU am Hauptbahnhof Linz.
INSITU im Stadtraum Linz.
Zeitgeschichte Projekt INSITU während Linz09.

Sind Sie noch öfter in Linz zu Besuch? Welche Anlässe ziehen Sie in die Stadt?

In Anbetracht der schnellen Zugverbindung, könnte es eigentlich viel öfter sein (Anmerkung: 1 Stunde 14 Minuten). Besonders im Frühherbst fahre ich gerne nach Linz, beispielsweise zum Ars Electronica Festival oder zur Klangwolke. Ich schätze auch die Arbeit meiner Kolleginnen und Kollegen im Lentos Kunstmuseum und im Nordico Stadtmuseum ganz besonders. Großartig finde ich, dass im Rahmen des diesjährigen Linzer Frauenschwerpunkts der Künstlerin Iris Andraschek eine Ausstellung gewidmet wurde. Und ich freu mich auch sehr, dass das Haus der Geschichte ab März 2022 im Nordico mit der Ausstellung „Heimat großer Töchter. Zeit für neue Denkmäler“ zu Besuch ist. Auch wieder ein Anlass nach Linz zu fahren!

Was machen Sie besonders gerne, wenn Sie privat in Linz sind?

Ich mag es, durch die Landstraße zu flanieren und auf ein Eis zum Jindrak zu gehen. Und natürlich gönne ich mir auch gerne mal eine Linzertorte. Die gibt’s in dieser Qualität einfach nur in Linz. 

Typisch Linz ist für Sie ...?

Die Kombination aus Stahlstadt und Kulturstadt, die ist außergewöhnlich. 

Monika Sommer leitet heute das Haus der Geschichte Österreich in Wien.

Monika Sommer wurde 1974 in Linz geboren, wo sie bis zur Matura blieb. Heute lebt sie in Wien und ist Direktorin des 2018 neu gegründeten Hauses der Geschichte Österreich. Für Linz09 hat die Historikerin mit Schwerpunkt Museologie, österreichische Kultur- und Zeitgeschichte gemeinsam mit Dagmar Höss und Heidemarie Uhl die Open-Air-Ausstellung „IN SITU. Zeitgeschichte findet Stadt“ kuratiert. Monika Sommer ist außerdem Vorstandsmitglied von schnittpunkt. ausstellungstheorie & praxis, Finanzreferentin des Österreichischen Museumsbundes und Mitglied der Militärhistorischen Denkmalkommission des Bundesministeriums für Landesverteidigung.


Ein Gastbeitrag von "jungskommunikation".

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