VISIT LINZ
Irene Girkinger im Haus der Musik
13.04.2022

Missing Linz 16: Irene Girkinger – Sag niemals nie

Nach Stationen in Salzburg, Wien und Bozen übernimmt Irene Girkinger im Herbst 2023 die Leitung des Tiroler Landestheaters in Innsbruck. Ihre Wurzeln liegen in Linz und sind genährt von einem heterogenen Gesellschaftsbild und zahllosen Stunden im Theater Phönix.

Irene Girkinger, Sie haben bis kurz nach Ihrer Matura in Linz gelebt. Wie haben Sie die Stadt als Jugendliche kennengelernt?

Ich bin am Bindermichl aufgewachsen, das war schön. Doch in meiner Jugend fühlte ich mich mitunter sehr unwohl in Linz. Ich habe Erinnerungen an Krawalle in der Altstadt und die Hooligan-Szene Ende der 80er und Anfang der 90er. Auch die Industrie spielte eine große Rolle. In der Unterstufe mussten wir wegen Smogalarms immer wieder mal die Fenster schließen. Gemütlich ist was anderes.  

Mit meinem Freundeskreis bin ich dieser aufgeheizten Stimmung eher entflohen. Am liebsten bei „alternativen“ Clubbings, Konzerten und Uni-Festen. Wir mochten die Donaulände, Stadtwerkstatt, den Posthof und waren oft in der KAPU, im Aquarium, Roten Krebs oder in der Kartause. 

Donaulände Linz
Posthof Linz

Irgendwie habe ich mich als Jugendliche an der Stadt gerieben – im positiven wie im negativen Sinn. Klar war, dass ich weg wollte. 

Das Kontrastprogramm war dann das schöne, barocke Salzburg. Hatte das etwas mit Ihrem Berufswunsch zu tun?

Ja, ich habe dort Literatur und Sprachen studiert. Kultur hatte damals einfach einen größeren Stellenwert in Salzburg. Auf diesen Weg haben mich meine Lehrerinnen am BG Ramsauerstraße und das Theater Phönix gebracht. In der Zeit des steigenden Rechtsextremismus und der latenten Gewaltbereitschaft in Linz fand ich den gesellschaftskritischen Zugang des Theater Phönix sehr bereichernd. Dort fand und findet immer noch lebendiges Theater am Puls der Zeit statt. Dieser starke Zugriff auf Klassiker und Themen hat mich beeindruckt und den Grundstein für meinen späteren Berufswunsch gelegt: ich wollte ans Theater. Allerdings nicht auf, sondern hinter die Bühne in den Bereich der inhaltlich-künstlerischen Planung. 

Irene Grikinger vor dem Landestheater

Erste berufliche Erfahrungen als Dramaturgin sammelte ich dann am Schauspielhaus Salzburg. Auch bei den Salzburger Festspielen konnte ich große Theaterluft schnuppern und mit vielen tollen Theatermenschen zusammenarbeiten. Eigentlich hatte ich nicht vor nach Linz zurückzugehen, aber als der Ruf ans Theater Phönix kam, konnte ich nicht anders. Die Zeit dort als Dramaturgin war das Beste, was mir und meiner kritischen Einstellung zu Linz passieren konnte.

Zu dieser Zeit hat sich Linz bereits auf das Kulturhauptstadt-Jahr vorbereitet. Inwiefern hat sich die Stadt in diesen Jahren verändert?

Ich war von 2005 bis 2007 Dramaturgin am Theater Phönix. Die Vorbereitungen für die Präsentation zu Linz09 waren überall am Laufen. Die freie Szene hat sich formiert. Die Veränderung zu früher war spürbar, die Kulturlandschaft viel lebendiger und vielseitiger, neue Lokale hatten eröffnet und die Altstadt war viel aufgeräumter. Doch die Chance, als Dramaturgin am Volkstheater Wien zu arbeiten, ließ mich bald weiterziehen – auch wenn ich sehr viele positive Erfahrungen gemacht habe.

Theater Phönix

Was zieht sie zurück nach Linz – für einen Tag, ein Wochenende oder für immer?

Ich freu mich immer sehr über die altbekannte Stimme des Sprechers im Bus, wenn ich auf den Bindermichl zur Familie rauffahre. Manchmal besuche ich in diesen Tagen auch eine Vorstellung im Phönix. Und ich beobachte, dass sich extrem viel in Museen wie dem Nordico, Lentos oder Schlossmuseum tut, aber es bleibt kaum Zeit dafür. Ich will ja auch mit meinem Neffen in den Skatepark an der Donau gehen. Oder – wie in den alten Zeiten – zum Leberkaspepi. Oder in eines der „neuen“ Lokale wie das Salonschiff Fräulein Florentine, das ich sehr toll finde. 

Salonschiff Fräulein Florentine
Im Lentos Kunstmuseum
Leberkas Pepi von außen

„Linz für immer“ ist für mich prinzipiell schwierig zu denken, weil ich nicht weiß, ob ich „für immer“ an einem Ort bleiben möchte, aber „für länger“ ist es mittlerweile eine Option geworden. Das hängt bei mir aber immer von der beruflichen Perspektive ab. Mit 18 Jahren hätte ich das wahrscheinlich alles ausgeschlossen. Aber sag niemals nie!

Was mögen Sie an Linz? Wo gibt’s Potenzial?

Die Menschen in Linz sind sehr heterogen. Es gibt weniger Bildungsbürgertum als in Wien oder Salzburg, dafür aber viele junge Menschen und sehr unterschiedliche Bevölkerungsgruppen. Und genau so entwickelt sich auch die Stadt: sehr innovativ, nicht elitär, bunt durchmischt und die Zeitgenossenschaft ist überall präsent. Ich finde, der Werbespot „Linz ist Linz“ trifft das sehr gut. Das ist mutig und spricht Menschen wie mich an.

Ich persönlich finde das in Österreich einzigartige Hafenviertel und den Industrieteil der Stadt total spannend. Vielleicht könnte man diese Abschnitte von Linz und ihre Geschichte weiter erlebbar machen. So wie die Tabakfabrik das macht. 

Wenn jemand aus meinem Freundeskreis nach Linz reist, empfehle ich die Donaulände mit dem Lentos und dem Ars Electronica Center, den Pöstlingberg und den Hauptplatz. Er hat das Potenzial, zu einer italienischen Piazza zu werden. 

Blick auf Ars Electronica Center und Pöstlingberg
Hauptplatz Linz

Und nun meine letzte Frage: Was ist typisch Linz?

Ich denke, der Blick vom Pöstlingberg drückt das gut aus: Natur, Altstadt und Industrie. Eine Stadt der Gegensätze, das ist Linz.

Und jetzt wo wir darüber reden, wird mir klar, warum ich in meinem Leben stets auf der Suche nach Gegensätzen bin. Wenn es irgendwo nur schön ist, muss ich weg. 

Ausblick vom Pöstlingberg Linz
Irene Girkinger

Irene Girkinger wurde 1976 in Linz geboren. Nach dem Besuch des BG/BRG Raumsauerstraße zog sie nach Salzburg, um dort Literatur und Sprachen zu studieren und berufliche Erfahrungen im Schauspielhaus Salzburg und bei den Salzburger Festspielen zu sammeln. Nach einer kurzen Rückkehr nach Linz ans Theater Phönix, wechselte Girkinger 2007 als Dramaturgin ans Volkstheater in Wien, wo sie zuvor ein Postgraduate-Studium in Kulturmanagement abgeschlossen hatte. Seit 2012 ist Girkinger Intendantin der Vereinigten Bühnen Bozen. Ab Herbst 2023 übernimmt sie die Leitung des Tiroler Landestheaters in Innsbruck und rückt damit Linz wieder ein Stückchen näher.  

Ein Gastbeitrag von "jungskommunikation".

Titelbild: ©Franz Oss Photography

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