VISIT LINZ
09.07.2020

Die spielende Stadt

Ein Kommentar von Katharina Lackner. Sie ist Künstlerin und Kuratorin und plädiert für mehr Spiel im öffentlichen Raum.

Einige der Fragen, die ich mir seit meinem Studium an der Kunstuni in Linz stelle, sind folgende: „Wem gehört die Stadt?“, „Für wen ist sie gemacht?“, „Worum geht es in der Stadt?“, „Wie lange halte ich mich wo auf und warum?“ und „Was tue ich für die Stadt?“. Einkaufen, Kaffeetrinken, Kino, Ausstellungen – Konsum. Von meiner Wohnung zur Arbeit und wieder zurück: Das ist oft die Realität, doch vielmehr möchte ich (mir) diese Fragen hiermit beantworten: Es geht um Aufenthaltsqualität, darum in Kontakt mit anderen zu kommen, auch anonym zu sein (was sich in Linz etwas schwieriger gestaltet, aber auch schön ist).

Doch was macht diese Aufenthaltsqualität aus, und was tue ich in der Stadt wenn ich nicht konsumiere? Um diese Fragen zu beantworten hatte ich Hilfe. Meinen Sohn, er zeigt täglich auf, wo es uns gut geht aber auch wo und woran es in der Stadt fehlt. Kinder gelten als „Indikative Spezies“ (T. Gill), also als ein Gradmesser für eine gut funktionierende, aktive, gesunde Umgebung, besonders im städtischen/öffentlichen Raum. Ganz automatisch und ungebremst nützen und benützen, reagieren sie auf die Stadt. Auf das Permanente, also ihr Gebautes aber auch auf das Temporäre und das, was wir oft nicht mehr wahrnehmen oder einfach hinnehmen, wie Autos, Gestank, Lärm, Wind und Wetter. Unaufhaltsam benützen sie, was da ist und spielen damit.

Im freien Spiel gibt es kein richtig oder falsch. Im Spiel, dieser auf den ersten Blick völlig nutzlosen Tätigkeit, wird ziellos experimentiert und im wortwörtlichen Sinn endlos gehandelt. Denn hier tut die Hand unbewusst den ersten Schritt und das Hirn folgt im vollen euphorischen Bewusstsein. Ähnlich dem Prozess der künstlerischen „Kreation“ entsteht ein Glücks-Zustand (Flow).

Spiel fängt aber nicht erst an den dafür vorgesehenen Orten an, so definiert sich die spielende Stadt für mich nicht nur über offensichtliche, bereits existierende Spielplätze. Oft sind es ganz beiläufige Plätze, deren Spielqualität auf den ersten Blick nicht erkennbar ist (Stufen, Rampen, Raster, Pflasterung, Gullis, Löcher, Fassaden, Geländer...) und die eine hohe Aufenthaltsqualität in sich tragen. Es sind Orte an denen oft Autos fehlen oder rar sind. Ausschlaggebend ist aber auch, wieviel und wie stark sich die Nutzer in ihre Umgebung einbringen können, wieviel Gestaltungs- und Interaktionsmöglichkeiten ein Ort bietet.

Jede sinnvolle Definition von Spiel sollte nicht nur für Kinder, sondern genauso für Erwachsene gelten. Sobald Menschen miteinander spielen, bauen sie Grenzen ab. Eine Stadt die kreative, künstlerisch spielerische, interaktive Interventionen, Aktionen und gutes Design unterstützt, fördert damit auch die Verbundenheit und Identifikation der Bewohner*innen und Besucher*innen mit ihrer Umgebung. Im besten Fall auch mit unseren städtischen Mitbewohner*innen. Aber auch jede und jeder Einzelne kann und sollte sich spielerisch den Stadtraum erobern. Kinder tun das jeden Tag, bei jeder Gelegenheit. Sie aktivieren und vitalisieren den städtischen Raum und zeigen vor, was alles geht und wo die Grenzen und Orte sind, an denen man arbeiten muss. Städte wie Amsterdam, Barcelona mit seinen menschenfreundlichen „Superblocks“ und  Paris mit den Plänen zur “City of fifteen minutes”, machen es vor und geben die wichtigste Antwort: Die Stadt gehört uns!

Und P.S.: Das Gegenteil von Spiel ist nicht Arbeit sondern Depression - Brian Sutton-Smith

Titelbild: ©Robert Josipovic

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