VISIT LINZ
06.11.2019

Revue einer Kulturfolgerin: Leben vs. Nebel

Auch wenn das Wetter im Herbst etwas trüb wird, die Veranstaltungen und Kulturerlebnisse werden dies keineswegs. Dominika Meindl gibt einen Rückblick über den goldenen Oktober.

Die Präsidentin stromert im Oktober durch die Stahlstadt

Damen und Herren, geliebte Völker, verehrte Gäste!

Wir müssen zwecks Steigerung des Vertrauens aufrichtig miteinander sein: Im Oktober in November kann es hier in Linz MANCHMAL ein bisschen nebelig sein. Wenn Sie sich wegen dieses Bekenntnisses nun aber von unserer lieben Stadt abwenden, darf ich erstens hier nicht mehr schreiben, und Sie bringen sich zweitens um das Glück, das Sie erfassen wird, sobald der Herbst die Schwaden zerreißt und sein goldiges Licht über den Zentralraum gießt. Bitte, das ist Kunst! Diese Tage sind garantiert zweimal herrlicher als herkömmliche Sonnentage! Sollten Sie aber ungeduldig werden, können Sie ja hier ganz flott in einen Zug steigen und einen Abstecher ins Salzkammergut machen, das ist Linzens großer Bonus. Als Anreiz habe ich Ihnen zwei Bildnisse angefertigt, eins vom Gmundnerberg, eines vom Stodertal. Meine Selbstlosigkeit finde ich großartig.

Am Abend kommen Sie zurück, dann ist ihr Kopf ausgelüftet und frei für Kultur. Im Herbst hat ganz besonders die Literatur Saison, die Wortklauber und Leserinnen präsentieren ihre gemischten Sätze. So gastierte Erwin Riess an den Ufern des von ihm so geliebten Stromes und las aus „Die Donaupiraten“, ein gutes und ein wichtiges Buch über behinderte und nichtbehinderte Menschen. Just am selben Abend hielt der Verlag Kiepenheuer & Witsch Erntedankfest: Raphaela Edelbauer und Dana von Suffrin haben sehr verschiedene Bücher verfasst, die sich aber in ihrem subtilen Witz und ihrer exzellenten Qualität ähneln. Apropos Stifterhaus – in dem prangte im Bücherherbst ein Programm, das in seiner Buntheit als Metapher für die Laubfärbung taugte. Etwa auch den traditionellen Austausch mit Sachsen. Heuer war Francis Mohr zu Gast, „bekennender Leipziger und Dresdner zugleich“, der zuvor noch nie in Linz gewesen war und sich glaubhaft begeistert zeigte; er hätte das nicht aus Gefälligkeit uns gegenüber sagen müssen. Gerne wieder gekommen ist die Märchenerzählerin, Autorin und Pastorin Bettine Reichelt.

Erneut just am selben Abend referierte Martin Pollack bei der Eröffnung der Ausstellung „Kontaminierte Orte“ im Architekturforum Linz (afo). Hier spreche ich eine große Empfehlung aus. Die gilt für das afo im Generellen und die Ausstellung im Besonderen. Es geht darum, dass Orten ihre Unschuld geraubt wurde, sie durch soziale und politische Gewalt, Kriminalität kontaminiert, „beschmutzt“ werden – wie etwa die Stadt Braunau durch das wild umstrittene Geburtshaus Hitlers. Und ja, die Ausstellung mute ich auch den Besucherinnen und Besuchern zu, die hauptsächlich zu Erholungszwecken nach Linz kommen. Aber ich gehe davon aus, dass sehr viele von unseren Gästen Interesse an der Geschichte ihrer Destination haben, und da muss man die dunklen Kapitel keineswegs überblättern, im Gegenteil. So lässt sich ein Ort begreifen. Und ja, es gibt etliche dunkle Orte in Oberösterreich, hinter dem Idyll steckt zuweilen eine böse Vergangenheit. Das Licht der Aufklärung leuchtet dafür umso heller darauf.

Das Theater Phönix ist so etwas wie die historische und lebendige Zentrale der Freien Szene. Zusätzlich zum ohnehin schon dichten Bühnen-Programm finden im Beisl immer wieder Lesungen und Ähnliches statt. Ich war bei „LOGOtheSEN“, einem nicht ganz anspruchslosen, vielschichtigen Abend in memoriam des Komponisten und Autors Anestis Logothetis. Es lasen Angela Flam, Robert Stähr, Herbert Stöger, Richard Wall und Wally Rettenbacher, durch den Abend führte Günter Köllemann. Stefan Tiefengraber forderte die eingefahrenen Hörgewohnheiten mit einer aufwändigen Klangperformance heraus.

Nach dem wunderbaren September-Gastspiel in der BlackBox des Musiktheaters fühlte sich die Oktober-Lesebühne in der „Schule des Ungehorsams“ an wie Heimkommen. Dieser Ort ist so prächtig und so gemütlich zugleich! So kann's klappen mit der freundlichen Revolution für eine bessere Welt. Passend dazu las der famose Literat Martin Peichl am Vorabend des Nationalfeiertages zum Thema „Wie man Österreich repariert“. Und schließlich durfte ich den ersten Book-Slam in der Arbeiterkammer moderieren, bei dem Schulklassen literarisch-theatralisch-friedlich gegeneinander antraten. Man hat lange nichts mehr so Mitreißendes und Anrührendes gesehen. Um diese Jugend muss man sich keine Sorgen machen!

 

Es grüßt

Ihre Präsidentin

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