VISIT LINZ
19.07.2019

Revue einer Kulturfolgerin: Juni

Elf Sommer habe ich in einer Dachgeschoßwohnung geschmachtet. Eine heißere Liebeserklärung kann man einer Stadt nicht machen, finde ich. Bei aller Dankbarkeit, angesichts des Klimawandels nun ein paar Stockwerke tiefer zu leben, überkommt mich dennoch Nostalgie, denn näher an der Donau werde ich vielleicht nie wieder leben.

Die Präsidentin stromert durch die Freie Szene der Stahlstadt

Damen und Herren, geliebte Völker, verehrte Gäste!

Was wäre Linz ohne den Fluss? „Die Leute hier handeln und reden so, als läge Linz am Meer“, schreibt Karin Harasser im Vorwort der soeben erschienenen Linz-Ausgabe der Literaturzeitschrift „Die Rampe“.
Die Leiterin der Abteilung für Kulturwissenschaften lebt seit fünf Jahren hier; ihr Blick auf Stadt und Menschen ist genau und wertvoll: „Es gibt häufig etwas Sehnsuchtsvolles und Ungezähmtes in Gesprächen und Gesichtern, das mich an Hafenstädte wie Hamburg und Neapel erinnert.“

Was wäre also Linz ohne den großen Strom? Ab Juli ist das Wasser auch für Weicheier wie meinereins warm genug für ein Bad; oft genug hatte ich den Computer sich selbst überlassen und war die paar hundert Meter zum Ufer gerannt, um mich ungebremst in die Donau zu stürzen. Ich schwöre, mehr als einmal hat es gezischt, als die Haut die Oberfläche berührte! Und ein jedes Mal beglückte mich – sobald das Hirn wieder auf Betriebstemperatur war – die Vorstellung, hier an den Gestaden des Mühlviertels mitten im Kontinent schwimmend mit dem Schwarzen Meer verbunden zu sein.

Deswegen befinden sich einige der schönsten Orte Linzens auch am Ufer der Donau. Etwa das Salonschiff Fräulein Florentine, von dem hier oft die Rede war und noch viel öfter sein wird. Man eile nur nicht zu schnell zur Bar oder zu den Strandkörben an Deck, sondern wende sich vor der Anlegestelle noch nach rechts. Seit nunmehr genau sechs Jahren ergänzt direkt am Wasser die Kunsthalle Linz das städtische Angebot an Ausstellungshäusern. Gegründet und betrieben vom IFEK (Institut für erweiterte Kunst) bietet der weiße Kubus Raum für große Ideen.
Wobei das „groß“ relativ ist. Gut, gemessen an herkömmlichen Standards sollte vielleicht sogar von „klein“ die Rede sein. Besseren Fotografinnen als der Autorin gelingt es, den von lokalen Kunstschaffenden immer wieder neu bespielten Würfel so darzustellen, als handle es sich um einen großen, begehbaren Raum

Klein, aber tatsächlich begehbar und mittlerweile schon legendär ist ein anderer Kunstraum nahe der Donau: die Alte Welt. Die Bühne im Keller ist an brüllheißen Tagen alleine klimatisch schwer zu empfehlen. An einem solchen Abend wohnte ich der ersten gemeinsamen Lesung des Linzer AutorInnenkreises, der Grazer AutorInnen Versammlung Oö und dem PEN Oö bei. Selten fällt die Auseinandersetzung mit Literatur und Politik so vielfältig aus. Und durchaus lustig – die „Freunde des kleinen Mannes“ etwa wussten die feine Klinge der Satire treffend zu schwingen.

Nachdenklich und amüsiert stieg man an so einem Abend zurück an die Oberfläche und hinüber zum Hauptplatz, wo die eingerüstete Pestsäule den Blick fing. Eine unseriöse Krawallzeitung titelte wider besseres Wissen „Dreifaltigkeitssäule in Linz soll abgerissen werden“. Keine Bange, auch hier herrscht die Satire, das Wahrzeichen wird nur wieder in Form gebracht.

Kurz wagte ich mich im Folgenden an den Stadtrand, um das segensreiche Wirken des Klatschmohns zu begutachten und mir Hollunderblüten braten zu lassen. Eine Stadt ohne Mohn und Holler – ist das nicht wie eine Stadt ohne Donau, also in Wahrheit inakzeptabel?

Eine Woche später war es immer noch heiß, und wir blieben wieder nahe am Wasser: In der Schule des Ungehorsams, von der hier oft die Rede war und noch viel öfter sein wird, gastierte die junge Innsbrucker Poetry-Slammerin Käthl bei der Sommerschlusslesebühne „Reif für die Insel“. Ihre frischen Texte vor Gerhard Haderers prunkvollen Ölgemälden (Satire auch hier) bildeten gleichsam den erlösenden Zieleinlauf vor einem großen Sommer am großen Strom.

„Das Meer gehört sowieso mir, da muss ich doch nicht wegziehen aus Linz“, schreibt Karin Harasser mit leichter Ironie und doch zu Recht.
Wir sehen einander am Donaustrand.

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