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14.04.2020

Muto – „Mein erster Nine-to-Five-Job”

Die Gastronomie ist eine der am schwersten von der Corona-Krise getroffenen Branchen. Statt in ihre Klagelieder einzustimmen, haben Michael Steininger und Werner Traxler, Betreiber des Restaurants muto in der Linzer Altstadt, auf einen lukullisch attraktiven Mittagslieferservice – und auf Papas altes Fahrrad umgesattelt. Im Interview mit Martin Lengauer erzählt Michael Steininger, wie es dazu kam und was er an Linz im CoVid19-Stillstand mag und vermisst.

Michael, lass uns Corona für einen Augenblick vergessen und so tun, als wäre ein ganz normaler muto-Tag: Womit würdet ihr an einem April-Abend eure Gäste überraschen?

Michael Steininger: Unsere Abendmenüs setzen sich üblicherweise aus zwei Vorspeisen, zwei Hauptspeisen, einem Käsegang und zwei Desserts zusammen – jeweils in einer Version mit und ohne Fleisch, letztere ist auch vegan möglich. Da wir sehr großen Wert auf Saisonalität legen, wären aktuell Bärlauch, Brunnenkresse, Fenchel und Radieschen Fixstarter, aber auch das frisch geschlachtete Wollschwein sowie – rund um Ostern – Lamm in unterschiedlichen Varianten.

 

Finden sich diese Zutaten auch in euren Mittagsmenüs, die ihr seit Beginn der Corona-Isolation an eure Kunden ausliefert? Wo liegen die Unterschiede?

Der Hauptunterschied liegt im Faktor Zeit. Am Abend haben wir mehr davon – und gönnen sie unseren Zutaten. Mein Kompagnon und Küchenchef Werner Traxler gart sehr viel sous vide, während ich mir die Zeit nehme, unseren Gästen die sechs oder sieben Komponenten auf ihren Tellern zu erklären. Die Mittagsmenüs haben meist nur drei Komponenten und müssen rechtzeitig für die Auslieferung fertig sein. Trotzdem sollen sie auch optisch etwas hermachen, soweit die Lieferbox das erlaubt.

 

Lauft ihr da nicht Gefahr, euren Markenkern zu verwässern, das Verändern bzw. den unkonventionellen Umgang mit vermeintlich bekannten Zutaten?

Nein. Wir verwenden grundsätzlich nur frische – und frisch verarbeitete – Zutaten, von Produzenten aus der Region: Biogemüse aus Niederneukirchen, Wollschwein aus Grünbach bei Freistadt, Lamm aus Rutzenmoos etc. Unsere Lieferanten sind gerade in dieser Zeit froh, dass wir verlässliche Abnehmer ihrer Waren sind, weil sie deren Produktion ja nicht einfach verschieben können. Unsere Treue wird mit einem fairen Preis belohnt, also eine Win-Win-Situation. Selbstverständlich bemühen wir uns, unsere Kunden auch zu Mittag mit dem gewissen muto-Etwas zu verwöhnen, egal ob mit Fleisch, vegetarisch oder vegan. Für den Überraschungseffekt zahlen die Empfänger gerne ein oder zwei Euro mehr als für ein Nullachtfünzehn-Mittagsmenü.

Kulinarik per Bike-Lieferung: kostendeckende Corona-Alternative

Wie ging der Wechsel vom angesagten Abendlokal zum Lieferservice über die Bühne?

Wir hatten ja schon vor dem Lock-Down an jedem Donnerstag einen Mittagstisch. Da gab‘s für unsere Gäste alles, was in den Abendmenüs keinen Platz hatte. Aus den Innereien haben wir Beuschel gemacht, aus dem ausgelösten Wollschweinfett Grammelknödel. Insofern waren wir für die Mittagsküche schon eingegroovet. Als klar war, dass aufgrund der Corona-Maßnahmen nur mehr Liefern erlaubt sein würde, hab ich das Radl vom Papa entstaubt. Seither cruise ich jeden Werktag zwischen 11:00 und 15:00 Uhr durch Linz und stelle in einem Radius von ca. zwei Kilometer unsere Boxen zu. Rund 50 Stück pro Tag, produziert von einem Zweimann-Team. Werner ist der Küchenchef, ich bin sein Gehilfe, kümmere mich um das Bestellwesen und das Liefern. Die Wochenkarte ist meist am Freitag davor online, die Kunden können bis 24 Stunden vorher bestellen, viele von ihnen tun dies gleich für alle fünf Tage. Der Lieferservice deckt momentan unsere Fixkosten inklusive unser „Gehalt“.

Was werdet ihr am Tag eins nach Corona machen? Schon Menüideen?

Nein. Wir wissen ja noch nicht, wann das sein wird. Unser Abendgeschäft läuft normalerweise bis einschließlich Juni super, auch dank Gastgarten. Ab Juli sind die Leute lieber am Badesee – Chillen und Grillen statt siebengängiger Menüs. In dieser Zeit legen wir unseren Fokus auf Catering, vor allem Hochzeiten. Die werden aber gerade auch alle gecancelt. Insofern ist der Sommer heuer komplett unplanbar. Ich hoffe, dass die Leute zumindest ab September wieder fortgehen dürfen und wir durchstarten können.

Mundpropaganda: regional plus Oktopus

Blicken wir zurück in die Vergangenheit. Was hat euch vor gut fünf Jahren bewogen, das muto auf Linz loszulassen?

Werner und ich kennen uns schon sehr lange, weil seine Schwester meine Lebensgefährtin ist. Bei Familienfeiern haben wir bemerkt, dass wir beide eine Schwäche für experimentierfreudiges Kochen teilen, die Molekularküche hat uns damals sehr fasziniert. Uns war schnell klar, dass wir irgendwann was Eigenes aufmachen wollen, und zwar gemeinsam. Zunächst trennten sich die Wege aber. Ich war nach der HLW Auhof im Gelben Krokodil und dann lange in England, während Werner im Arcotel seine Lehre beendete und sich seinen Feinschliff in der Top-Gastronomie holte, im Tanglberg Vorchdorf und beim Döllerer in Golling. Eines Tages haben uns unsere heutigen Nachbarinnen vom Coffeeshop Friedlieb und Töchter angerufen und erzählt, dass das Lokal in der Altstadt zu haben wäre. Wir haben sofort zugeschlagen und unser Konzept einer verspielten, neue Texturen und Kombinationen suchenden Küche umgesetzt, vorwiegend mit Zutaten der Saison und der Region. Ab und zu darf‘s aber auch ein Oktopus sein, weil er uns einfach schmeckt.

Linz war damals nicht gerade der Nabel der kulinarischen Welt. Wie habt ihr eure Stammkundschaft aufgebaut, wie behaltet ihr sie?

Wir waren immer davon überzeugt, dass Linz neben seinen Beisln und Gasthäusern und den wenigen Adressen mit Hauben-Niveau auch Restaurants mit anspruchsvoller handwerklich-kreativer Küche, aber ungezwungenem Ambiente verträgt. Es freut uns, dass wir das gemeinsam mit anderen Lokalen bewiesen haben. Obwohl wir fürs Marketing nur auf Mundpropaganda und Facebook gesetzt haben. Unsere ersten Besucher kannten uns von früher und waren neugierig, was wir jetzt so treiben. Mittlerweile haben wir auch Stammkunden aus Wien, die einen Business- oder Kurzurlaubstag in Linz im muto ausklingen lassen.

 

Wie wirkt sich der Corona-bedingte Stillstand auf dein außerberufliches Leben aus?

Das ist ja vom Berufsleben nicht zu trennen. Aber hey, ich hab zum ersten Mal in meinem Leben einen Nine-to-Five-Job. Für die Familie ist das toll, mir bleibt viel mehr Zeit fürs Spielen mit den Kindern. Auch das gemeinsame Kochen mit Werner macht großen Spaß. Die tägliche Bikerunde mit den Anstiegen auf die Gugl oder Richtung Petrinum boosten meine Fitness. So gesehen geht’s mir gut.

 

Wie erlebst du deine Heimatstadt Linz in diesen Ausnahmezeiten?

Linz hat aktuell etwas von einer Geisterstadt. Erstaunlich, welche Ruhe sich breitmacht, wenn der Verkehr fehlt. Was mir aber wirklich abgeht, das sind die Leute. Und das italienische Flair der Linzer Altstadt, wenn im Frühling endlich wieder die Schanigärten geöffnet werden und überall ein bisserl was los ist.

 

Blogbeitrag von Martin Lengauer, diejungs-Kommunikation
Fotos: Tom Mesic

 

 

Restaurant "Muto"

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