VISIT LINZ
05.02.2020

Unmittelbar vermittelt

Der Direktor der Albertina in Wien, Klaus Albrecht Schröder, ist geborener Linzer und hat Amerikanische Kunst aus der Albertina nun in seine Heimatstadt geholt. Das zeigt sein Interesse an dieser Stadt und ihren Menschen, die nun mitten im Schlossmuseum Linz in die Welt des amerikanischen Alltags geführt werden, wie er zum Sujet der Pop Art wurde.

Andy Warhol sagte einmal, es sei einfacher, kein Interesse an Menschen zu haben, denn es sei schwierig, sich mit ihnen zu beschäftigen (wie wohl er sich dann doch für sie interessierte) und der Grund dafür, warum sein Werk so weit von ihm selbst entfernt sei. Diese Haltung mag Resultat der Welterfahrung sein, die seit den 60er Jahren stark von der Medienwelt und der Unterhaltungsindustrie geprägt ist (oder auch inspiriert): Zwischen dem Menschen und der seiner unmittelbaren Erfahrung von Umwelt steht seither das allgegenwärtige Bild.

Und diese Erfahrung teilen wir bis heute.

In der Ausstellung im Schlossmuseum sind amerikanischen Werke von 1960 bis heute zu sehen, und sie alle zeugen davon, dass Wirklichkeit tatsächlich nurmehr aus zweiter Hand konsumiert wird, und der Künstler, die Künstlerin, statt mit originärem Pinselstrich zu arbeiten, Versatzstücke der uns umgebenden Medienwelt einarbeitet, umarbeitet, verarbeitet. Verschwunden der Anspruch, Wirklichkeit nachahmen zu wollen oder dem subjektiven Empfinden Ausdruck zu verleihen. Verschwunden die Idee der persönlichen Handschrift.

Stimmt das?

Beim Betrachten der Bilder von Cindy Sherman und Roy Lichtenstein, Andy Warhol und Alex Katz, von Eric Fischl und David Salle, Tom Wesselmann und Gregory Crewdson und vielen anderen mehr, vermittelt sich ein sehr eigener Blick auf die Wirklichkeit und eine persönliche Sichtweise, auch wenn diese Wirklichkeit mehr oder weniger aus bereits vorgefundenen, vermeintlich trivialen und objektivierten Bildern bestehen mag.

Sie sind deshalb noch lange nicht unwirklich.

Die Pop Art ist unmittelbar dran an einer Realität, eben an einer Alltagswelt, die auch wir tagtäglich erleben, die wir immer unvermittelter von Werbung, von Konsumgütern, von wiedererkennbaren Labels umgeben werden. Von Dingen, die von Maschinen unendliche Male reproduziert werden können.

Von der Kopie kopiert.

Warhol selbst wollte eine Maschine sein, so sagte er einmal und vervielfältigte mit Hilfe des Siebdrucks einen an der Oberfläche bleibenden Mao ebenso wie eine mit aufdringlichen Lippen stilisierte Marilyn Monroe (und ließ auch sie damit zu einem oberflächlichen Ding werden, gleichgültig ob Monroe sagte: „Ich will kein Ding sein“). Und Roy Lichtenstein freute sich, dass ein Cartoon imstande zu sein scheint, heftige Emotionen und Leidenschaften in mechanischer und distanzierter Weise auszudrücken.

Der Verlust der Aura, den Walter Benjamin einst beklagte, ist in dieser Ausstellung ebenso zu spüren wie die unweigerliche Entwicklung, die wir im letzten halben Jahrhundert durchlaufen haben, und die unsere Wahrnehmung längst verändert hat. Doch ob mit Aura oder ohne: Warhols Siebdruck-Reproduktionen erzählen etwas, und sei es seinen Wunsch nach Distanziertheit, ebenso wie die stilisierten Comic-Bilder eines Roy Lichtensteins und die an das Kino angelehnten Bilder von Gregory Crewdson es tun, die unmittelbar an den Prozess des Storytellings anknüpfen, indem sie Momente wiedergeben, die geradezu danach verlangen, sich ein Vorher und Nachher zu denken und nach einer Geschichte hinter der Oberfläche zu suchen. Das Gleiche gilt für The Krefeld-Project von Eric Fischl, das ebenfalls in der Ausstellung zu sehen ist und für die überdrehte Hässlichkeit, mit der Cindy Sherman die Rollenbilder der Bilderindustrie unmittelbar thematisiert, während sie anderswo als Sex-Klischees der Massenmedien Einzug erhalten und dadurch auf eben die Klischees aufmerksam machen.

Und so erzählen alle Bilder, ob Siebdruck oder Fotografie, Malerei oder Collage eine Geschichte: Die Geschichte von uns Menschen, die wir in einer Wirklichkeit leben, in der wir uns auf die eine oder andere Weise zurechtfinden müssen. In der Natur. Im medialen Raum. Im digitalen Raum. Sie können nicht objektiv, anonym, entpersönlicht von ihrem Umfeld berichten, auch wenn die Pop Art Künstler und Künstlerinnen eben mit diesen Begriffen kokettierten. Das individuelle Erleben von Wirklichkeit wird unweigerlich geteilt, sobald sie uns ihre Sicht darauf mit-teilen, zum Beispiel in Form von Kunstwerken.

Weil sie Menschen sind.

Und wir uns für Menschen interessieren.

Zum Zurechtfinden sei anzumerken, dass es durchaus lohnend ist, sich einer der Führungen durch die Ausstellung anzuschließen, um das Erleben der ausgestellten Werken zu vertiefen. Und um anschließend die Wirklichkeit wieder unmittelbar zu erfahren, bietet ein Spaziergang sich durch Linz an, durch die Stadt (und deren Aura?) und inmitten ihrer Menschen, denen Klaus Albrecht Schröder dieses Geschenk gemacht hat.

Ich persönlich finde übrigens: Das Schlossmuseum ist auch unabhängig von dieser Ausstellung stets einen Besuch wert.

 

Schlossmuseum Linz

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