VISIT LINZ
Klaus Albrecht Schröder vor der Albertina in Wien.#
08.03.2022

Missing Linz 15: Sherlock Holmes auf Spurensuche

Klaus Albrecht Schröder wurde 1955 in Linz geboren. Der Kunsthistoriker und langjährige Museumsleiter der Albertina Wien nimmt seine Heimatstadt im Missing Linz-Interview unter die Lupe.

Herr Schröder, Sie wuchsen in Linz auf, besuchten dort Volksschule und Gymnasium. Woran erinnern Sie sich aus dieser Zeit?

Ich habe ausschließlich schöne Erinnerungen. Linz ist die Stadt, die meinem Herzen am nächsten ist. Unsere damalige Wohnung war hoch oben am Bindermichl und ich denke gerne an die Spaziergänge von der Ramsauerstraße zum Hummelhofwald zurück. In der Mitte des Weges war ein kleiner Greißler, der Kuhn, den es längst nicht mehr gibt. Wenn ich dort mit meiner Mutter zum Einkaufen vorbeikam, wurde ihr die Milch in eine Alukanne gepumpt und ich durfte, noch ehe wir zu Hause waren, von der eiskalten Milch kosten. Das ist eine Erinnerung, die nostalgische Gefühle in mir auslöst. Sowie die Ausflüge auf den Pöstlingberg, wo ich natürlich oft und gerne mit der Grottenbahn fuhr. Weniger gern denke ich an einzelne Momente meiner Schulzeit, da ich keineswegs immer ein guter Schüler war. In der Erinnerung verblasst allerdings, was schwierig, und bleibt, was schön war.

Der Pöstlingberg in Linz.

Gibt es Dinge, Orte und Erlebnisse, nach denen Sie sich sehnen?

Wo auch immer man in Linz ist, sieht man ins Grüne. Die Verschränkung der recht großen Stadt und ihrer kulturellen Angebote mit der grünen Umgebung und der Donau im Besonderen war mir früher nicht so bewusst. Das ist in Wien in der Weise gar nicht möglich.

Und dann gibt’s da noch eine Sehnsucht, die verwundern wird. In den 1960er-Jahren war Linz zwei oder gar drei Mal die nebelreichste Stadt der Welt. Vor London. Das war noch lange bevor die damaligen Stickstoffwerke und die VÖEST in den Umweltschutz investierten. Die Luft konnte man beißen. Weil ich damals ein leidenschaftlicher Sherlock Holmes-Leser war, fühlte ich mich in die Nebelschwaden der Londoner Baker Street im späten 19. Jahrhundert zurückversetzt. Das mochte ich sehr. Ein paar Mal erlebte ich sogar, dass der O-Bus nur fahren konnte, indem der Schaffner ausstieg und langsam vor dem Chauffeur einherging. Weil man keine fünf Meter weit sah. Heute ist Linz geradezu ein Luftkurort im Vergleich zu dem, was die Stadt in meiner Jugend war.

Der Hauptplatz im Morgennebel.

Ein Blick auf eine Zeit, die den Ruf von Linz lange prägte. Wie kam es denn im Linzer Nebel zur Begegnung mit der bildenden Kunst?

In meiner Familie hatte ich wenig Kontakt zur bildenden Kunst, mehr zur Musik und zur Literatur. Wir sangen Opern, auch mit verteilten Rollen und Klavierbegleitung. Als Sänger durfte ich 1974 immerhin aktiv an der Eröffnung des Brucknerhauses teilnehmen. Als ich 15 Jahre alt war, entdeckte ich bei meiner ersten Freundin Andrea Kunstbücher über Hieronymus Bosch und Pieter Bruegel. Es waren die legendären Schroll Kunstbücher, produziert von ihrem Großvater. Von da an wollte ich Künstler werden und seither bin ich so etwas wie sehnsüchtig.

Bei Fritz Aigner, einem oberösterreichischen Künstler, ging ich dann jeden Tag um 17 Uhr zur Schule. Ich zeichnete und malte. Sein Atelier war gegenüber dem Lifka-Kino. Als erstes musste ich im Kino Bier für meinen Lehrer kaufen – dafür habe ich irgendwann eine Radierung geschenkt bekommen: „Für Herrn Schröder. Fürs Bierholen”.
Eigentlich wollte ich auf die Akademie der bildenden Künste in Wien gehen. Doch weil ich zu Jahresbeginn mit dem Bundesheer in Hörsching fertig geworden und ein Einstieg unter dem Jahr nicht möglich war, wollte ich die Zeit mit einem Semester Kunstgeschichte überbrücken. Nach wenigen Stunden oder spätestens Tagen wusste ich, dass ich nicht Künstler, sondern Kunsthistoriker werden wollte. Auch wenn mich meine Eltern gerne als Juristen gesehen hätten. So bin ich seit 1975 in Wien, wo ich anfangs nicht einmal die Votivkirche vom Stephansdom unterscheiden konnte.

Welche Gründe gäbe es für Sie nach Linz zurückzukehren? Für einen Tag, ein Wochenende, für immer?

Ich habe tatsächlich schon überlegt, mir eine Wohnung in Linz zu kaufen, um in meiner Pension dorthin zu übersiedeln. Die Wien-Linz-Verbindung dauert mit dem Zug schließlich nur eineinviertel Stunden.
Wenn ich in Linz bin, gehe ich sehr gerne ins Lentos, es ist ein außergewöhnlich geglückter Museumsbau und ein bewundernswert gutes Museum. Ich gehe auch gerne ins Schlossmuseum, schon aus sentimentalen Gründen. Es war ein verwunschener Ort, von dem man damals in die Altstadt, das Rotlicht-Viertel, blicken konnte.

Die Donau, Kunst und Kultur in Linz.

Wie hat sich die Kunstszene in Linz entwickelt?

Die Kunstszene in Linz ist heute eine sehr vitale. In meiner Jugend war das nicht so. Da gab es nur zwei Galerien: den Feichtinger in der Nähe der Stifterstraße und die Galerie Lehner in der Klammstraße. Hier wurde ich gemeinsam mit den von Peter Baum geführten Räumen in den Brückenkopfgebäuden, die als Vorgänger des Lentos zu sehen sind, an die Gegenwartskunst herangeführt. Als die Kunstuni gegründet wurde, erlebte Linz einen Aufbruch, der vorbildhaft ist. Manchmal würde ich dort gerne unterrichten, damit ich Anlass habe, nach Linz zu fahren. Heute gibt es natürlich zahlreiche wichtige Linzer Künstlerinnen und Künstler. Beispielsweise zeigen wir nächstes Jahr in der Albertina das Künstlerpaar Hauenschild Ritter. Und nicht zu vergessen ist, was Linz in der Skulptur geleistet hat.

Wenn Sie internationale Gäste in der Albertina empfangen, die als nächstes Linz besuchen möchten, was würde Sie ihnen empfehlen?

Ich empfehle Klassiker wie die Bahnfahrt auf den Pöstlingberg, das Lentos, das Schlossmuseum und den gewaltigen Hauptplatz. Es gibt weltweit nicht viele derart große Hauptplätze. Während meiner Kindheit und Jugend hat mich übrigens das Vorurteil begleitet, dass die Altstadt in den letzten Tagen des zweiten Weltkrieges dem Erdboden gleich gemacht wurde. So bin ich heute oft erstaunt, wie gut erhalten sie ist.
Bei Restaurants oder Lokalen bin ich selbst auf den Rat anderer angewiesen. Ich bin ein Linz-Liebhaber, aber kein Linz-Kenner.

Was ist für Sie „typisch Linz“?

Typisch Linz ist für mich die Verbindung mit der Natur. Linz liegt wirklich an der Donau, im Gegensatz zu Wien. Erwähnenswert ist natürlich auch das merkwürdige Jahrmarkttreiben des Urfahranermarkts, den ich als Kind mit meiner Mutter zwei Mal im Jahr besuchte.

Klaus Albrecht Schröder vor der Albertina in Wien.#

Prof. Dr. Klaus Albrecht Schröder wurde 1955 in Linz geboren, ging dort zur Schule und zog 1975 zum Studieren nach Wien. Er ist Kunsthistoriker und seit 1999 Museumsleiter der Albertina Wien. Davor leitete er rund zwölf Jahre lang das BA-CA Kunstforum.

Ein Gastbeitrag von "jungskommunikation".

Titelbild: ©Christian Wind

Teilen:

Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben

Blogheim.at Logo