Hunger, Arbeitslosigkeit und Heimatlosigkeit trieben viele Menschen nach dem Ersten Weltkrieg in die Städte, so auch nach Linz. Die folgenden Jahre war die Landeshauptstadt geprägt von einem massiven Bevölkerungswachstum, verbunden mit einer großen Wohnungsnot. Die Verantwortlichen der sozialdemokratisch regierten Stadt nahmen sich der Probleme der Menschen an – auch wenn aufgrund der schlechten wirtschaftlichen und finanziellen Lage ihre Spielräume deutlich begrenzter waren als etwa im „Roten Wien“.
Curt Kühne und Julius Schulte
Besonders zwei Planer wirkten in dieser Phase der Stadtentwicklung: der erste Linzer Stadtbaudirektor Curt Kühne und Architekt Julius Schulte, der zweitweise auch Mitarbeiter am Stadtbauamt war. Ihr Auftrag und Ziel war die Schaffung einer sozial orientierten Stadt – unterstützt durch die damalige politische Führung. Ihre öffentlichen wie privaten Bauten setzten wichtige städtebauliche Akzente und prägen heute noch das Stadtbild von Linz, egal ob Wohnhäuser, Schulen oder Industriebauten. Ihre Architektur bewegte sich im Spannungsfeld zwischen Sparsamkeit, Funktionalität, Hygiene, Qualität und Ästhetik.
Soziale Architektur
Verstärkt begann die Architektur damals, soziale Komponenten mitzudenken – Gebäude sollten von fort an auch und vor allem den Bedürfnissen der Menschen und der Gemeinschaft dienen. Die Ansätze von Kühne und Schulte in Linz wurden und werden u. a. mit den Begriffen Reformarchitektur, Expressionismus und Neue Sachlichkeit tituliert. Die Beiden waren jedenfalls im konservativen Oberösterreich ihrer Zeit voraus. Heute noch ist ihre Wertschätzung für die Bewohner und Besucher dieser Gebäude spürbar. „Mit ihrem sozialen Anspruch waren diese beiden Architekten ihrer Zeit voraus. Gerade die von Curt Kühne geplante ehemalige Volksküche, die das afo seit gut 20 Jahren nutzen darf, ist ein herausragendes Beispiel dafür. Das Haus zeigt uns, dass auch für die Ärmsten einer Gesellschaft würdevoll gestaltete Gebäude möglich sind. Davon können wir heute noch lernen“, meint Franz Koppelstätter, der Leiter des architekturforum oberösterreich (afo).
Ausgewählte architektonische Schmankerl aus den 1920er- und 1930er-Jahren
- Die Städtische Volksküche
- Das Parkbad
- Die Fleischmarkthalle
- Das Urfahraner Rathaus
- Die Postdirektion in der Innenstadt
- Die Weberschule in Alturfahr, die Diesterwegschule, die Körnerschule
- Die Wohnbauten in der Wimhölzelstraße, in Scharlinz, in der Sintstraße, in der Haydnstraße und in der Franckstraße
- Die Siedlung Am Grünen Anger, Am Hagen, die Villa Seiler
- Der Urnenhain mit der Feuerhalle
afo
Das afo architekturforum oberösterreich wurde 1994 gegründet und ist seit 2003 in der ehemaligen Volksküche der Stadt Linz am heutigen Herbert-Bayer-Platz verortet. Der Verein versteht Architektur als gesamtgesellschaftlichen und kulturellen Prozess, bei dem lebendige, kritische Reflexion und die Beteiligung möglichst vieler Menschen gefragt sind – dazu lädt das afo mittels Ausstellungen, Diskussionen, Vorträgen, Publikationen und Besichtigungen ein.
Mehr Informationen auf https://afo.at/
Gastbeitrag von Michael Leithinger
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