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18.10.2018

Wo auch Schüchterne zur Literatur kommen: 25 Jahre Stifterhaus

Montag Abend, Hitze, Literatur: für gewöhnlich völlig falsche Zutaten für die Herstellung von Massenandrang. Stadtfremde mögen sich darüber wundern, dass gerade diese Kombination heute den Saal im Stifterhaus gut gefüllt hat. Wer aber hier regelmäßig Veranstaltungen besucht, wundert sich nicht – man muss schon unwahrscheinliches Pech haben, Langweiliges zu hören zu bekommen.

Schriftstellerinnen und Schriftsteller können sich umgekehrt auf Stammgäste verlassen; dass sie wie in anderen Literaturhäusern manchmal grade vor zwei, drei Verirrten lesen, müssen sie nicht befürchten.

An diesem schwülen Abend sind fast alle Stühle besetzt. Klar, René Freund ist als Autor weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Seine Liebesromane sind klug und warmherzig, genretypische Klischees umschifft er geschickt. Heute stellt er gemeinsam mit seinem Verlagskollegen Stefan Kutzenberger die jeweils neuen Romane vor. Kutzenberger tritt an das Rednerpult. Bevor er aus seinem Debütroman „Friedinger“ liest, möchte er dem Publikum erzählen, was es ihm bedeute, hier im Stifterhaus lesen zu dürfen. Vor acht Jahren habe er als Wissenschaftler hier eine Veranstaltung moderiert und sich insgeheim danach gesehnt, auf der „richtigen“ Seite zu stehen. Eben als Autor. „Ich lebe schon so lange in Wien und krieg' es immer noch nicht hin, auch jetzt nicht, zu sagen, ich sei Wiener. Ich bin ein Linzer!“ Das Publikum brummt zustimmend. „Jetzt geht’s mir grad wie Hitler auf dem Hauptplatz! Nein! Halt, das ist vielleicht doch kein guter Vergleich“, sagt Kutzenberger – aber mit einem dermaßen charmanten Lächeln, dass alle seine Ironie verstehen und lachen. Als es wieder still wird, strahlt der Autor und sagt: „Ich glaube, ich sage einfach, dass ich glücklich bin!“

Lesungen finden im Stifterhaus meist zweimal pro Woche, immer um 19:30 Uhr statt, um 21 Uhr ist Schluss. Der informelle Teil führt vom Büchertisch hinüber zur kleinen Bar im Erdgeschoß, und von dort oft in das legendäre Gasthaus „Alte Welt“. Die Größen der deutschsprachigen Literatur machen fast alle Halt in Linz; man muss schon unheilbar schüchtern sein, um dann nach den Lesungen nicht mit ihnen ins Gespräch zu kommen.

Für das Programm ist die stellvertretende Direktorin Regina Pintar zuständig, die man höchstens aus der Contenance bringt, wenn man sie allzu ehrfürchtig als „Frau Direktor Dr.in“ anspricht. Dasselbe gilt für die Chefin des Hauses, Petra-Maria Dallinger (bei ihr gibt „Frau Hofrat!“ als Anlass zu Protest). Die beiden Damen haben Titel und Lorbeeren und elegantes Betragen, hauptsächlich sind sie aber fundierte, überzeugte Literaturwissenschaftlerinnen und hervorragende Gastgeberinnen.

Dank diverser Literaturvermittlungs-Programme für junge und ältere Leserende, dank wissenschaftlichen Austauschs und regelmäßigen Ausstellungen gerät das Stifterhaus nie in Verdacht, weltfremd und selbstgenügsam dazustehen.

Apropos Ausstellung: Natürlich gibt’s da noch den Ahnherrn Adalbert – Generationen von Schüler ächzten bei der aufgezwungen Lektüre seiner „Bunten Steine“. Im Stifterhaus können sie erfahren, wie abgründig der Namensgeber schreiben konnte, wie gut sich diese Prosa auch 150 Jahre nach Stifters Tod noch liest und welche unerwarteten Fans er immer noch hat, etwa den ZEIT-Redakteur Ijoma Mangold oder den Glossengott Max Goldt (der „Witiko“ bleibt in der Meinung der Autorin aber unlesbar, das werden ihr auch die guten Menschen vom Stifterhaus nicht ausreden können).

In der Zwischenzeit hat auch René Freund seine Lesung beendet, der Applaus für beide Autoren ist so warm wie der Abend. Gleich bilden sich Schlangen vor dem Büchertisch. Freund und Kutzenberger müssen signieren, bis ihre Finger schmerzen. Ein schönes Luxusproblem!

StifterHaus

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