VISIT LINZ
10.09.2019

Revue einer Kulturfolgerin: Hipster im Anmarsch und Haserl im Industriegebiet

Linz ist noch nicht Mainstream, obwohl es am Hauptstrom Mitteleuropas liegt. Noch nicht! Dominika Meindl erzählt von ihrem Kultur-August 2019.

Die Präsidentin stromert durch die Stahlstadt

Damen und Herren, geliebte Völker, verehrte Gäste!

Geht es Ihnen insgeheim auch so, dass Sie gar nicht mehr so richtig, richtig neidig sind, wenn Ihnen die Bekanntschaft von Berlinausflügen berichtet? Ich meine: eh super, dieses dicke B an der Spree, brauchen wir gar nicht diskutieren! Aber waren wir jetzt nicht alle schon einmal dort? Finden Berlin nicht eh alle cool? Ich habe mich Mitte August selbst davon überzeugt, dass die Stadt immer noch floriert und voller super Street Art und veganen Wurstbuden und angesagter Jungmenschen ist. Es ist das Meiste fertig renoviert, in der Mitte glänzt alles in teurem Platin, in Kreuzberg werden die Graffiti immer makelloser. Jetzt wird es wahrscheinlich nicht so bald geschehen, dass ein Berliner Performancegalerist zur Betreiberin eines feministischen Hacker-Spaces sagt, „komm', wir ziehen nach Linz, alle anderen coolen Mover und Shaker sind schon dort!“. 

Apropos Hauptstrom: Die Donau, das dicke D, spielt sommers eine große Rolle in meinen Ausflugsberichten. Erneut habe ich Touristin in der eigenen Stadt gespielt und zum ersten Mal eine Hafenrundfahrt gemacht. Es gibt Dinge, die erlebt man und fragt sich von der ersten Sekunde an, warum man damit so lange gewartet hat. Noch dazu, wenn das Schiff unter einem dramaturgisch wertvollen Gewitterhimmel dahinfährt. Die Berliner Hipster würden bestätigen, dass besonders die Industrie einen ordentlichen Schauwert produziert! Fun Fact: Haben Sie gewusst, dass es auf den Schlackehalden ein eigenes Jagdrevier gibt, mit immerhin sechs Hektar? Dem Vernehmen nach tummelt sich hier die Fauna, als habe man ihr eigens ein Freigehege gebaut.

Bleiben wir noch am Mainstream der Stadt. Das Mühlviertler Ufer nennt sich jetzt „4040 Lower East Side“ und weiß seit je her mit der Stadtwerkstatt, dem AEC und dem Salonschiff Fräulein Florentine zu erfreuen. Eine Dreifaltigkeit an Institutionen, über die sehr bald mehr zu sagen sein wird!

Hat jemand „Dreifaltigkeit“ gesagt? Danke für das Stichwort. Es lohnt immer, zu Flohmarktzeiten über den Hauptplatz zu flanieren. Leider haben mir die Mitbewohnerinnen im Amtssitz ein Erwerbsverbot auferlegt, sodass ich mich angesichts der Vintage-Schätze stets sehr am Riemen reißen muss. Die Verzichtsenergie senkt die Hemmschwelle an anderer Stelle. Dieses Jahr habe ich unfassbar viel Eis konsumiert. Falls Sie mich einmal einladen wollen – eigentlich esse ich immer nur Haselnuss, ich verschmähe ein Frozen Joghurt mit irgendeinem fancy Topping aber auch nicht. Ähnlich großmütig bin ich beim Bier, da lasse ich mich auf ein gutes Freistädter fast genauso gern einladen wie auf ein Schlägler oder ein Hofstettner. Das Leben ist schön im Goldenen Dreieck der Braukunst!

Dafür revanchiere ich mich mit einer Lokalempfehlung: Das Mezzanin ist immer eine sichere Empfehlung, mit etwas Glück platzen Sie in ein Konzert (zuletzt Trauermarsch-Pop von Folia Forever sowie Indie-Songwriting der Tracy Bond Band). Hier fühlt sich die Berliner Kunstkuratorin so gut aufgehoben wie der Mühlviertler Bierkutscher. 

Kommen wir zum Schluss. Mir fällt es viel leichter, etwas über Linz zu schreiben als über Berlin, über das schon alles gesagt ist. Widerspruch ist im Übrigen willkommen.

 

Es grüßt

Ihre Präsidentin

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