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18.06.2020

Avantgarde auf dem Mainstream. Das Salonschiff Fräulein Florentine

Das Salonschiff Fräulein Florentine ist Café, Bar Kulturschiff. Direkt am Fluss lassen sich nicht nur die schöne Aussicht genießen, sondern auch bis in die frühen Morgenstunden feiern.

Eine besonders charmante Getränkeausgabestelle ist das Salonschiff, das die Menschen von Linz der Einfachheit halber und mit viel Liebe „Florentine“ nennen. Näher kommt dem großen Strom nur, wer sich mit einer Flasche Bier in die Donau stellt. Aber warum? Wo es sich doch so viel schöner auf dem Oberdeck sitzt! Die Strandkörbe und Möbel sind „vintage“ oder – auch so ein Modewort – „shabby chic“, aber ebendies ist Bestandteil des eingangs erwähnten Charmes. Die Einrichtung des Schiffs ist nämlich so bunt zusammengewürfelt wie Crew und Publikum. Es kann passieren, dass man die Bestellung an der Bar in einfachem Englisch oder  langsamem Deutsch aufgeben muss, weil der hübsche junge Mann an den Zapfhähnen gerade erst von irgendwo aus der Welt nach Linz gezogen ist, um Kunst zu studieren. Verdurstet ist jedenfalls noch niemand.

Die Offenheit für alle Alters- und Einkommensgruppen prägt das Geschehen zu allen Jahreszeiten, aber der Sommer ist die große Zeit des Salonschiffs. Untertags lassen junge Eltern ihre Nachkommen über das Sonnendeck flitzen. Radsportler füllen ihre Elektrolytdepots auf, Flusskreuzfahrtsgäste sehen sich neugierig um. Wenn es heiß ist, legt die Jeunesse dorée mit ihren teuren Motorbooten an und bestellt günstige Drinks. Die Kunstszene bespricht ab Nachmittag ihre Projekte bei einem Glas Schlägler Bier, und ab 22 Uhr kommt mit der Jugend Feierlaune und Tanzlust an Bord. Originale sinnieren im Discotrubel bis zur Sperrstunde über einem Schachbrett an der Bar. Das gute Leben für alle? Hier sind wir sehr knapp dran.

Die Florentine war nicht immer ein Schiff. Bis 2013 war sie ein Grandhotel auf der anderen Seite des Stromes und hieß „Rother Krebs“. Hier logierte schon Karl May, als er seine berühmten Westmann-Bilder schießen ließ, hier wurde das erste Telefon von Linz installiert. Etwa zehn Jahre lang schrieben die Krebs-Betreiber mit ihren legendären Partys Geschichte, gerade während der Zeit des Kulturhauptstadtjahres ging es besonders bunt zu. Hannes Langeder, Sabine Stuller und Bert Zettelmeier, damals Studierende der „Experimentellen Gestaltung“, machten aus der grauen Theorie unterhaltsame Praxis und gründeten das „Institut für erweiterte Kunst“ (IFEK), das bis heute seine zentrale Wirkungsstätte auf der Florentine hat. Schon die Verkleidungsfeste am anderen Ufer hatten stets künstlerischen Mehrwert, das Veranstaltungsprogramm ist bis heute von der Lust am Experiment und der schönen Subversion geprägt.

Vor sieben Jahren vertrieb ein Hochwasser die Menschen aus dem „Rothen Krebsen“, und seit sieben Jahren erfreut sich Linz an der Florentine. Das Schiff ist auf den ersten Blick ein Café oder nachts eine Bar, sie versteht sich aber selbst als „Raum für moderne Kunst und Kommunikation“ – und als „Luftkurort“, um dem Ganzen den Ernst zu nehmen. Man kann hier einfach sitzend, trinkend, Kuchen essend, schwatzend seine Freizeit vertändeln, man kann aber auch die vielen Spuren künstlerischen Schabernacks suchen. Etwa die „Kunsthalle Linz“ gleich neben dem Abgang der Anlegestelle, in der allmonatlich Vernissagen avantgardistischer Kunst gefeiert werden. Der Mini-Kubus soll die größte Kunsthalle der Stadt sein?! Ja, weil es gar keine andere gibt. Man macht IFEK keine größere Freude, als ihm auf den Leim zu gehen. Auf dem Schiff ist mit höherem Unfug jederzeit zu rechnen.

Salonschiff Fräulein Florentine

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