VISIT LINZ
17.06.2018

Kein Main-Stream am großen Fluss

Zum ersten Mal erklingt das Stream-Festival mit Live-Acts und DJs zu den Themen Popkultur und Digitalisierung an der Donau. Dazu gibt es zahlreiche Workshops und Talks.

Die 48 Stufen über dem Maindeck des Ars Electronica Centers sind vor lauter Menschen nicht mehr zu sehen. Es summt wie in einem gigantischen Bienenstock. In den Warteschlangen vor dem Bier-Mobil verwickeln einander Unbekannte in angeregte Gespräche. Freunde winken sich zu, fallen sich in die Arme und sagen im Grunde alle die gleichen zwei Sätze: „War das schön, oder was!“ und „25 Jahre Tocotronic, kann das stimmen?“ Vielleicht stimmt es, die vier Herren haben durchaus graue Schläfen, aber seit die 1990er wieder en vogue sind, wirken sie wie frisch gegründet.

Als abschließenden Headliner für das neue Linzer Musikfestival „Stream“ hat man also Tocotronic, die Mutter aller deutschsprachigen Indierock-Bands verpflichten können. Und die haben soeben ein dermaßen mitreißendes und prächtiges Konzert hinbekommen, dass auch die grämlichsten Skeptiker sich freuen mussten. Ein „Hit-Feuerwerk“, würden faule Texterinnen schreiben. Am Ende hüpften alle, die Teenies und die Menschen um die 40, denen Tocotronic den Soundtrack zur Jugend geschrieben hatte. „Ich möchte kein Teil einer Jugendbewegung sein!“, hat das Publikum mitgesungen, und ganz begeistert „Nein, danke!“ geschrien, als Dirk von Lotzow die rhetorische Frage „Aber hier leben?“ stellte. Gedacht haben wir, dass wir schon sehr gerne hier in Linz leben, nicht nur in diesem Augenblick.

Ende des vergangenen Jahres hatte die Stadt Linz beschlossen, das gut eingeführte, beliebte Linz-Fest neu zu konzipieren. Es sollte besser zum UNESCO-Titel „City of Media Arts“ passen, und deswegen sollte es auch ans andere Ufer der Donau ziehen (wo das Linz-Fest einst auch in einem riesigen Zelt seinen Anfang genommen hatte). Drei Tage lang soll es unter dem Namen „Stream“ von nun an alle zwei Jahre kostenlose Live-Konzerte, Gesprächsrunden, Workshops und ein ausgedehntes Spät-Programm in den Clubs und Bars der Stadt geben. Der Schwerpunkt liegt auf den Begriffen „elektronisch“ und „digital“. Dass dabei nichts Sperriges herauskommen muss, hat das Debüt gezeigt.

Da waren etwa die entzückenden „Lola Marsh“ aus Israel, in die sich das Publikum zu großen Teilen spontan verliebt hat. Und ein Feuerwerk gehört in Linz fast schon zum guten Ton größerer Ereignisse. Den ersten Konzertabend bestritten hauptsächlich „einheimische“ Musikschaffende wie „5K HD“, „Hearts Hearts“ oder Def Ill. Letzterer ist in Sachen Hip Hop in der Stahlstadt eine sichere Bank – er ist amtierender Weltmeister, wenn es um Silben pro Sekunde geht. Kurz: Wer wirklich überall mitmachen und alle Konzerte ansehen möchte, darf sich künftig an den drei „Stream“-Tagen nicht mehr allzu viel anderes vornehmen.

Wir sind schon angenehm gespannt auf die Wiederkehr des Festivals im Jahr 2020. Faden Mainstream am Hauptstrom müssen wir wohl nicht befürchten.

Stream-Festival

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